Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Doppelflinten gelten mußten. Der Polizeimann winkte, daß sich die Leiter wieder entfernen solle; hier ist wohl der beste Rath, Herr Emmerich, setzte er dann hinzu, daß wir den ungerathenen Abällino aushungern; so muß er sich uns ergeben. Weit gefehlt! rief Heinrich mit heiterer Stimme hinab; auf Monate sind wir mit getrocknetem Obst, Pflaumen, Birnen, Aepfenl und Schiffszwieback versehen; der Winter ist ziemlich vorüber, und sollte es uns an Holz gebrechen, so ist oben noch die Bodenkammer ; da finden sich alte Thüren, überflüssige Dielen, selbst vom Dachstuhle kann gewiß Manches als entbehrlich losgebrochen werden. Hören Sie den Heidenkerl! rief Emmerich; erst reißt er mir unten mein Haus ein, nun will er sich auch noch oben an das Dach machen. Es ist über die Beispiele, sagte der Polizeiwächter. Viele von den Neugierigen freuten sich über Heinrich's Entschlossenheit, weil sie dem geizigen Hausbesitzer dieses Aergerniß gönnten. Sollen wir das Militär kommen lassen, auch mit geladenen Flinten? Nein, Herr Inspector, um des Himmels willen nicht; darüber würde mir am Ende mein Häuschen in Grund und Boden geschossen, und ich hätte das leere Nachsehen, wenn wir den Rebellen auch endlich bezwungen hätten. Richtig, sagte Heinrich, und haben Sie nebenher vergessen, was seit vielen Jahren in allen Zeitungen Doppelflinten gelten mußten. Der Polizeimann winkte, daß sich die Leiter wieder entfernen solle; hier ist wohl der beste Rath, Herr Emmerich, setzte er dann hinzu, daß wir den ungerathenen Abällino aushungern; so muß er sich uns ergeben. Weit gefehlt! rief Heinrich mit heiterer Stimme hinab; auf Monate sind wir mit getrocknetem Obst, Pflaumen, Birnen, Aepfenl und Schiffszwieback versehen; der Winter ist ziemlich vorüber, und sollte es uns an Holz gebrechen, so ist oben noch die Bodenkammer ; da finden sich alte Thüren, überflüssige Dielen, selbst vom Dachstuhle kann gewiß Manches als entbehrlich losgebrochen werden. Hören Sie den Heidenkerl! rief Emmerich; erst reißt er mir unten mein Haus ein, nun will er sich auch noch oben an das Dach machen. Es ist über die Beispiele, sagte der Polizeiwächter. Viele von den Neugierigen freuten sich über Heinrich's Entschlossenheit, weil sie dem geizigen Hausbesitzer dieses Aergerniß gönnten. Sollen wir das Militär kommen lassen, auch mit geladenen Flinten? Nein, Herr Inspector, um des Himmels willen nicht; darüber würde mir am Ende mein Häuschen in Grund und Boden geschossen, und ich hätte das leere Nachsehen, wenn wir den Rebellen auch endlich bezwungen hätten. Richtig, sagte Heinrich, und haben Sie nebenher vergessen, was seit vielen Jahren in allen Zeitungen <TEI> <text> <body> <div n="4"> <p><pb facs="#f0080"/> Doppelflinten gelten mußten. Der Polizeimann winkte, daß sich die Leiter wieder entfernen solle; hier ist wohl der beste Rath, Herr Emmerich, setzte er dann hinzu, daß wir den ungerathenen Abällino aushungern; so muß er sich uns ergeben.</p><lb/> <p>Weit gefehlt! rief Heinrich mit heiterer Stimme hinab; auf Monate sind wir mit getrocknetem Obst, Pflaumen, Birnen, Aepfenl und Schiffszwieback versehen; der Winter ist ziemlich vorüber, und sollte es uns an Holz gebrechen, so ist oben noch die Bodenkammer ; da finden sich alte Thüren, überflüssige Dielen, selbst vom Dachstuhle kann gewiß Manches als entbehrlich losgebrochen werden.</p><lb/> <p>Hören Sie den Heidenkerl! rief Emmerich; erst reißt er mir unten mein Haus ein, nun will er sich auch noch oben an das Dach machen.</p><lb/> <p>Es ist über die Beispiele, sagte der Polizeiwächter. Viele von den Neugierigen freuten sich über Heinrich's Entschlossenheit, weil sie dem geizigen Hausbesitzer dieses Aergerniß gönnten. Sollen wir das Militär kommen lassen, auch mit geladenen Flinten?</p><lb/> <p>Nein, Herr Inspector, um des Himmels willen nicht; darüber würde mir am Ende mein Häuschen in Grund und Boden geschossen, und ich hätte das leere Nachsehen, wenn wir den Rebellen auch endlich bezwungen hätten.</p><lb/> <p>Richtig, sagte Heinrich, und haben Sie nebenher vergessen, was seit vielen Jahren in allen Zeitungen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Doppelflinten gelten mußten. Der Polizeimann winkte, daß sich die Leiter wieder entfernen solle; hier ist wohl der beste Rath, Herr Emmerich, setzte er dann hinzu, daß wir den ungerathenen Abällino aushungern; so muß er sich uns ergeben.
Weit gefehlt! rief Heinrich mit heiterer Stimme hinab; auf Monate sind wir mit getrocknetem Obst, Pflaumen, Birnen, Aepfenl und Schiffszwieback versehen; der Winter ist ziemlich vorüber, und sollte es uns an Holz gebrechen, so ist oben noch die Bodenkammer ; da finden sich alte Thüren, überflüssige Dielen, selbst vom Dachstuhle kann gewiß Manches als entbehrlich losgebrochen werden.
Hören Sie den Heidenkerl! rief Emmerich; erst reißt er mir unten mein Haus ein, nun will er sich auch noch oben an das Dach machen.
Es ist über die Beispiele, sagte der Polizeiwächter. Viele von den Neugierigen freuten sich über Heinrich's Entschlossenheit, weil sie dem geizigen Hausbesitzer dieses Aergerniß gönnten. Sollen wir das Militär kommen lassen, auch mit geladenen Flinten?
Nein, Herr Inspector, um des Himmels willen nicht; darüber würde mir am Ende mein Häuschen in Grund und Boden geschossen, und ich hätte das leere Nachsehen, wenn wir den Rebellen auch endlich bezwungen hätten.
Richtig, sagte Heinrich, und haben Sie nebenher vergessen, was seit vielen Jahren in allen Zeitungen
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/80>, abgerufen am 19.07.2024. |