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Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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eichenen Stufen waren ja ein integrirender Theil meines Hauses. Habe ich noch, so alt ich bin, von einem Miethsmann gehört, der die Treppen im Hause verbraucht, als wenn es Hobelspäne oder Fidibus wären!

Ich wollte, Sie setzten sich, sagte Heinrich, und hörten mich ruhig an. Diese Ihre zwei und zwanzig Stufen lief oft ein heilloser Mensch herauf, der mir ein kostbares Manuscript abschwatzte, es drucken wollte, sich dann für bankerott erklärte und auf und davon ging. Ein anderer Buchhändler stieg unermüdet diese Ihre eichenen Stufen hinauf und stützte sich dabei immer auf jenes starke Geländer, um sich den Gang bequemer zu machen; er ging und kam und kam und ging, bis er, meine Verlegenheit grausam benutzend, mir die erste kostbare Edition meines Chaucer abdrang, die er für mehr als einen Spottpreis, für einen wahren Schandpreis, in seinen Armen davontrug. O mein Herr, wenn man solche bittere Erfahrungen macht, so kann man wahrlich eine Treppe nicht lieb gewinnen, die es solchen Gesellen so übermäßig erleichtert, in die obern Etagen zu dringen.

Das sind ja verfluchte Gesinnungen, schrie Emmerich.

Bleiben Sie gelassen, sprach Heinrich etwas lauter hinunter. Sie wollten ja den Zusammenhang der Sache erfahren. Ich war betrogen und hintergangen; so groß unser Europa ist, Asien und Amerika nicht einmal zu rechnen, so erhielt ich doch von nirgend her Rimessen;

eichenen Stufen waren ja ein integrirender Theil meines Hauses. Habe ich noch, so alt ich bin, von einem Miethsmann gehört, der die Treppen im Hause verbraucht, als wenn es Hobelspäne oder Fidibus wären!

Ich wollte, Sie setzten sich, sagte Heinrich, und hörten mich ruhig an. Diese Ihre zwei und zwanzig Stufen lief oft ein heilloser Mensch herauf, der mir ein kostbares Manuscript abschwatzte, es drucken wollte, sich dann für bankerott erklärte und auf und davon ging. Ein anderer Buchhändler stieg unermüdet diese Ihre eichenen Stufen hinauf und stützte sich dabei immer auf jenes starke Geländer, um sich den Gang bequemer zu machen; er ging und kam und kam und ging, bis er, meine Verlegenheit grausam benutzend, mir die erste kostbare Edition meines Chaucer abdrang, die er für mehr als einen Spottpreis, für einen wahren Schandpreis, in seinen Armen davontrug. O mein Herr, wenn man solche bittere Erfahrungen macht, so kann man wahrlich eine Treppe nicht lieb gewinnen, die es solchen Gesellen so übermäßig erleichtert, in die obern Etagen zu dringen.

Das sind ja verfluchte Gesinnungen, schrie Emmerich.

Bleiben Sie gelassen, sprach Heinrich etwas lauter hinunter. Sie wollten ja den Zusammenhang der Sache erfahren. Ich war betrogen und hintergangen; so groß unser Europa ist, Asien und Amerika nicht einmal zu rechnen, so erhielt ich doch von nirgend her Rimessen;

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[0074] eichenen Stufen waren ja ein integrirender Theil meines Hauses. Habe ich noch, so alt ich bin, von einem Miethsmann gehört, der die Treppen im Hause verbraucht, als wenn es Hobelspäne oder Fidibus wären! Ich wollte, Sie setzten sich, sagte Heinrich, und hörten mich ruhig an. Diese Ihre zwei und zwanzig Stufen lief oft ein heilloser Mensch herauf, der mir ein kostbares Manuscript abschwatzte, es drucken wollte, sich dann für bankerott erklärte und auf und davon ging. Ein anderer Buchhändler stieg unermüdet diese Ihre eichenen Stufen hinauf und stützte sich dabei immer auf jenes starke Geländer, um sich den Gang bequemer zu machen; er ging und kam und kam und ging, bis er, meine Verlegenheit grausam benutzend, mir die erste kostbare Edition meines Chaucer abdrang, die er für mehr als einen Spottpreis, für einen wahren Schandpreis, in seinen Armen davontrug. O mein Herr, wenn man solche bittere Erfahrungen macht, so kann man wahrlich eine Treppe nicht lieb gewinnen, die es solchen Gesellen so übermäßig erleichtert, in die obern Etagen zu dringen. Das sind ja verfluchte Gesinnungen, schrie Emmerich. Bleiben Sie gelassen, sprach Heinrich etwas lauter hinunter. Sie wollten ja den Zusammenhang der Sache erfahren. Ich war betrogen und hintergangen; so groß unser Europa ist, Asien und Amerika nicht einmal zu rechnen, so erhielt ich doch von nirgend her Rimessen;

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/74>, abgerufen am 28.03.2024.