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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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ihnen, und wahrlich! ich vergaß über seinen
Heldenmuth mein eignes Elend. -- Wir
wurden an's Land gesetzt und als Sklaven
verkauft: noch als wir getrennt wurden,
nickte Lodoviko mir ein freundliches Lebe¬
wohl zu.

Wir arbeiteten in zwei benachbarten
Gärten, ich verlor in meiner Dürftigkeit, in
dieser Unterjochung allen Muth, aber ich
hörte ihn aus der Ferne seine gewöhnlichen
Lieder singen, und wenn ich ihn einmal sah,
war er so freundlich und vergnügt, wie im¬
mer. Er that gar nicht, als wäre etwas
Besondres vorgefallen. Ich konnte innerlich
über seinen Leichtsinn recht von Herzen böse
seyn, und wenn ich dann wieder sein lächeln¬
des Gesicht vor mir sah, war aller Zorn ver¬
schwunden, alles vergessen.

Nach acht Wochen steckte er mir ein
Briefchen zu, er hatte andre Christensklaven

ihnen, und wahrlich! ich vergaß über ſeinen
Heldenmuth mein eignes Elend. — Wir
wurden an's Land geſetzt und als Sklaven
verkauft: noch als wir getrennt wurden,
nickte Lodoviko mir ein freundliches Lebe¬
wohl zu.

Wir arbeiteten in zwei benachbarten
Gärten, ich verlor in meiner Dürftigkeit, in
dieſer Unterjochung allen Muth, aber ich
hörte ihn aus der Ferne ſeine gewöhnlichen
Lieder ſingen, und wenn ich ihn einmal ſah,
war er ſo freundlich und vergnügt, wie im¬
mer. Er that gar nicht, als wäre etwas
Beſondres vorgefallen. Ich konnte innerlich
über ſeinen Leichtſinn recht von Herzen böſe
ſeyn, und wenn ich dann wieder ſein lächeln¬
des Geſicht vor mir ſah, war aller Zorn ver¬
ſchwunden, alles vergeſſen.

Nach acht Wochen ſteckte er mir ein
Briefchen zu, er hatte andre Chriſtenſklaven

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[199/0207] ihnen, und wahrlich! ich vergaß über ſeinen Heldenmuth mein eignes Elend. — Wir wurden an's Land geſetzt und als Sklaven verkauft: noch als wir getrennt wurden, nickte Lodoviko mir ein freundliches Lebe¬ wohl zu. Wir arbeiteten in zwei benachbarten Gärten, ich verlor in meiner Dürftigkeit, in dieſer Unterjochung allen Muth, aber ich hörte ihn aus der Ferne ſeine gewöhnlichen Lieder ſingen, und wenn ich ihn einmal ſah, war er ſo freundlich und vergnügt, wie im¬ mer. Er that gar nicht, als wäre etwas Beſondres vorgefallen. Ich konnte innerlich über ſeinen Leichtſinn recht von Herzen böſe ſeyn, und wenn ich dann wieder ſein lächeln¬ des Geſicht vor mir ſah, war aller Zorn ver¬ ſchwunden, alles vergeſſen. Nach acht Wochen ſteckte er mir ein Briefchen zu, er hatte andre Chriſtenſklaven

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/207>, abgerufen am 29.03.2024.