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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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so daß beide sich gegenseitig erkennen, und
nun Töne und Phantasie in der Umarmung
gleichsam entzückt immer höher, immer mehr
himmelwärts jauchzen, so hast Du mir schon
oft gesagt, daß die Musik die erste, die un¬
mittelbarste, die kühnste von allen Künsten
sey, daß sie einzig das Herz habe, das aus¬
zusprechen, was man ihr anvertraut, da
die übrigen ihren Auftrag immer nur halb
ausrichten, und das beste verschweigen: ich
habe Dir so oft Recht geben müssen, aber,
mein Freund, ich glaube darum doch, daß
sich Musik, Poesie und Mahlerei oft die
Hand bieten, ja daß sie oft ein und dasselbe
auf ihren Wegen ausrichten können. Frei¬
lich ist es nicht nöthig, daß immer nur Hand¬
lung, Begebenheit mein Gemüth entzücke,
ja es scheint mir sogar schwer zu bestimmen,
ob in diesem Gebiete unsre Kunst ihre schön¬
sten Lorbeern antreffe: allein erinnere Dich

ſo daß beide ſich gegenſeitig erkennen, und
nun Töne und Phantaſie in der Umarmung
gleichſam entzückt immer höher, immer mehr
himmelwärts jauchzen, ſo haſt Du mir ſchon
oft geſagt, daß die Muſik die erſte, die un¬
mittelbarſte, die kühnſte von allen Künſten
ſey, daß ſie einzig das Herz habe, das aus¬
zuſprechen, was man ihr anvertraut, da
die übrigen ihren Auftrag immer nur halb
ausrichten, und das beſte verſchweigen: ich
habe Dir ſo oft Recht geben müſſen, aber,
mein Freund, ich glaube darum doch, daß
ſich Muſik, Poeſie und Mahlerei oft die
Hand bieten, ja daß ſie oft ein und daſſelbe
auf ihren Wegen ausrichten können. Frei¬
lich iſt es nicht nöthig, daß immer nur Hand¬
lung, Begebenheit mein Gemüth entzücke,
ja es ſcheint mir ſogar ſchwer zu beſtimmen,
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[173/0181] ſo daß beide ſich gegenſeitig erkennen, und nun Töne und Phantaſie in der Umarmung gleichſam entzückt immer höher, immer mehr himmelwärts jauchzen, ſo haſt Du mir ſchon oft geſagt, daß die Muſik die erſte, die un¬ mittelbarſte, die kühnſte von allen Künſten ſey, daß ſie einzig das Herz habe, das aus¬ zuſprechen, was man ihr anvertraut, da die übrigen ihren Auftrag immer nur halb ausrichten, und das beſte verſchweigen: ich habe Dir ſo oft Recht geben müſſen, aber, mein Freund, ich glaube darum doch, daß ſich Muſik, Poeſie und Mahlerei oft die Hand bieten, ja daß ſie oft ein und daſſelbe auf ihren Wegen ausrichten können. Frei¬ lich iſt es nicht nöthig, daß immer nur Hand¬ lung, Begebenheit mein Gemüth entzücke, ja es ſcheint mir ſogar ſchwer zu beſtimmen, ob in dieſem Gebiete unſre Kunſt ihre ſchön¬ ſten Lorbeern antreffe: allein erinnere Dich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/181>, abgerufen am 19.04.2024.