Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.Sechstes Kapitel. Das Bildniß der Gräfin und des fremden Franz erstaunte oft in einsamen Stun¬ Sechstes Kapitel. Das Bildniß der Gräfin und des fremden Franz erſtaunte oft in einſamen Stun¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0161" n="153"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Sechstes Kapitel.</hi><lb/> </head> <p><hi rendition="#in">D</hi>as Bildniß der Gräfin und des fremden<lb/> Ritters war beendigt, ſie war ſehr zufrieden,<lb/> und belohnte den Mahler reichlicher, als es<lb/> beide Freunde erwartet hatten. Franz und<lb/> Emma ſahen ſich oft, und Franzens Wün¬<lb/> ſche und Bitten wurden immer ungeſtümer<lb/> und ungeduldiger; er dachte auch dieſer Be¬<lb/> kanntſchaft wegen ungern an die Abreiſe,<lb/> an die ihn Rudolf oft erinnerte, um ihn zu<lb/> ängſtigen.</p><lb/> <p>Franz erſtaunte oft in einſamen Stun¬<lb/> den über ſich ſelber, über die Ungenügſam¬<lb/> keit, die ihn peinigte. Er betrachtete dann<lb/> mit wehmüthiger Ungeduld das Bild ſeiner<lb/> ehemaligen Geliebten, er wollte ſie ſeiner<lb/> Phantaſie in aller vorigen Klarheit zurück¬<lb/> zaubern, aber ſein Geiſt und ſeine Sinne<lb/> waren wie mit ehernen Banden in der Ge¬<lb/> genwart feſtgehalten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0161]
Sechstes Kapitel.
Das Bildniß der Gräfin und des fremden
Ritters war beendigt, ſie war ſehr zufrieden,
und belohnte den Mahler reichlicher, als es
beide Freunde erwartet hatten. Franz und
Emma ſahen ſich oft, und Franzens Wün¬
ſche und Bitten wurden immer ungeſtümer
und ungeduldiger; er dachte auch dieſer Be¬
kanntſchaft wegen ungern an die Abreiſe,
an die ihn Rudolf oft erinnerte, um ihn zu
ängſtigen.
Franz erſtaunte oft in einſamen Stun¬
den über ſich ſelber, über die Ungenügſam¬
keit, die ihn peinigte. Er betrachtete dann
mit wehmüthiger Ungeduld das Bild ſeiner
ehemaligen Geliebten, er wollte ſie ſeiner
Phantaſie in aller vorigen Klarheit zurück¬
zaubern, aber ſein Geiſt und ſeine Sinne
waren wie mit ehernen Banden in der Ge¬
genwart feſtgehalten.
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