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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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durch alle meine Empfindungen hindurch,
wie ein Traum wurde mein frischer Geist
von mir entrückt. Meine Noth ward grö¬
ßer, ich suchte Hülfe bei meinen Freunden,
die mich verließen, die sich bald ganz von
mir entfremdeten. Ich hatte geglaubt, ihr
Enthusiasmus würde nie erlöschen, es könne
mir an Glück niemals mangeln, und nun
sah ich mich plötzlich einsam. Ich erschrak,
daß mir mein Streben als etwas Thörichtes
erschien, ja daß ich in meinem Innersten
ahndete, ich habe die Kunst niemals geliebt.

O, wenn ich an jene drückenden Mo¬
nate zurückdenke! Wie sich nun in meinem
Herzen alles entwickelte, wie grausam sich
die Wirklichkeit von meinen Phantasien los¬
arbeitete und trennte! Ich suchte allenthal¬
ben Hülfe, ich versuchte die schmählichsten
Mittel, und kaum fristete ich mich dadurch
von einem Tage zum andern hin. Nun

durch alle meine Empfindungen hindurch,
wie ein Traum wurde mein friſcher Geiſt
von mir entrückt. Meine Noth ward grö¬
ßer, ich ſuchte Hülfe bei meinen Freunden,
die mich verließen, die ſich bald ganz von
mir entfremdeten. Ich hatte geglaubt, ihr
Enthuſiasmus würde nie erlöſchen, es könne
mir an Glück niemals mangeln, und nun
ſah ich mich plötzlich einſam. Ich erſchrak,
daß mir mein Streben als etwas Thörichtes
erſchien, ja daß ich in meinem Innerſten
ahndete, ich habe die Kunſt niemals geliebt.

O, wenn ich an jene drückenden Mo¬
nate zurückdenke! Wie ſich nun in meinem
Herzen alles entwickelte, wie grauſam ſich
die Wirklichkeit von meinen Phantaſien los¬
arbeitete und trennte! Ich ſuchte allenthal¬
ben Hülfe, ich verſuchte die ſchmählichſten
Mittel, und kaum friſtete ich mich dadurch
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[134/0142] durch alle meine Empfindungen hindurch, wie ein Traum wurde mein friſcher Geiſt von mir entrückt. Meine Noth ward grö¬ ßer, ich ſuchte Hülfe bei meinen Freunden, die mich verließen, die ſich bald ganz von mir entfremdeten. Ich hatte geglaubt, ihr Enthuſiasmus würde nie erlöſchen, es könne mir an Glück niemals mangeln, und nun ſah ich mich plötzlich einſam. Ich erſchrak, daß mir mein Streben als etwas Thörichtes erſchien, ja daß ich in meinem Innerſten ahndete, ich habe die Kunſt niemals geliebt. O, wenn ich an jene drückenden Mo¬ nate zurückdenke! Wie ſich nun in meinem Herzen alles entwickelte, wie grauſam ſich die Wirklichkeit von meinen Phantaſien los¬ arbeitete und trennte! Ich ſuchte allenthal¬ ben Hülfe, ich verſuchte die ſchmählichſten Mittel, und kaum friſtete ich mich dadurch von einem Tage zum andern hin. Nun

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/142>, abgerufen am 27.04.2024.