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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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gangenheit! Wo ist all' mein Bestreben ge¬
blieben, wie ist es gekommen, daß dieser
mir Unbekannte meine innigsten Wünsche
ergriffen und zu seinem Eigenthume gemacht
hat? Ja, ich habe wahrlich umsonst gelebt.
Aber ich will meine Erzählung beendigen.

Damals schien die ganze Welt glänzend
in mein junges Leben hinein, ich erblickte
auf allen Wegen Freundschaft und Liebe.
Unter den Mädchen, die ich kennen lernte,
zog eine besonders meine ganze Aufmerksam¬
keit auf sich, ich liebte sie innig, nach eini¬
gen Wochen war sie meine Gattin. Ich
hemmte meine Freude und meine Entzückun¬
gen durch nichts, ein blendender, ungestör¬
ter Strom war mein Lebenslauf. In der
Gesellschaft der Freunde und der Liebe, vom
Wein erhitzt, war es mir oft, als wenn sich
wunderbare Kräfte in meinem Innersten ent¬
wickelten, als beginne mit mir die Welt eine

gangenheit! Wo iſt all' mein Beſtreben ge¬
blieben, wie iſt es gekommen, daß dieſer
mir Unbekannte meine innigſten Wünſche
ergriffen und zu ſeinem Eigenthume gemacht
hat? Ja, ich habe wahrlich umſonſt gelebt.
Aber ich will meine Erzählung beendigen.

Damals ſchien die ganze Welt glänzend
in mein junges Leben hinein, ich erblickte
auf allen Wegen Freundſchaft und Liebe.
Unter den Mädchen, die ich kennen lernte,
zog eine beſonders meine ganze Aufmerkſam¬
keit auf ſich, ich liebte ſie innig, nach eini¬
gen Wochen war ſie meine Gattin. Ich
hemmte meine Freude und meine Entzückun¬
gen durch nichts, ein blendender, ungeſtör¬
ter Strom war mein Lebenslauf. In der
Geſellſchaft der Freunde und der Liebe, vom
Wein erhitzt, war es mir oft, als wenn ſich
wunderbare Kräfte in meinem Innerſten ent¬
wickelten, als beginne mit mir die Welt eine

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[132/0140] gangenheit! Wo iſt all' mein Beſtreben ge¬ blieben, wie iſt es gekommen, daß dieſer mir Unbekannte meine innigſten Wünſche ergriffen und zu ſeinem Eigenthume gemacht hat? Ja, ich habe wahrlich umſonſt gelebt. Aber ich will meine Erzählung beendigen. Damals ſchien die ganze Welt glänzend in mein junges Leben hinein, ich erblickte auf allen Wegen Freundſchaft und Liebe. Unter den Mädchen, die ich kennen lernte, zog eine beſonders meine ganze Aufmerkſam¬ keit auf ſich, ich liebte ſie innig, nach eini¬ gen Wochen war ſie meine Gattin. Ich hemmte meine Freude und meine Entzückun¬ gen durch nichts, ein blendender, ungeſtör¬ ter Strom war mein Lebenslauf. In der Geſellſchaft der Freunde und der Liebe, vom Wein erhitzt, war es mir oft, als wenn ſich wunderbare Kräfte in meinem Innerſten ent¬ wickelten, als beginne mit mir die Welt eine

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/140>, abgerufen am 29.03.2024.