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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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die Bildnisse der Apostel, der heiligen Mär¬
tyrer hoch oben in den Bäumen, sie sehen
mich mit allen ihren Mienen an, wenn ich
zu ihnen bete, und fordern mich auf, sie
abzuzeichnen. Dann greife ich nach Pinsel
und Pallette, und mein bewegtes Gemüth,
von der Inbrunst zu den hohen Männern,
von der Liebe zur verflossenen Zeit ergriffen,
schattirt die Trefflichkeiten mit irrdischen Far¬
ben hin, die in meinem Sinn, vor meinen
Augen erglänzen.

So seyd Ihr ein glücklicher Mann,
sagte Franz, der über diese Rede erstaunte.

Wie Ihr es wollt, sagte der Alte, der
Künstler sollte nach meinem Urtheile niemals
anders arbeiten, und was ist seine Begeiste¬
rung denn anders? Dem Mahler muß al¬
les wirklich seyn, denn was ist es sonst,
das er darstellen will? Sein Gemüth muß
wie ein Strom bewegt seyn, so daß sich seine

die Bildniſſe der Apoſtel, der heiligen Mär¬
tyrer hoch oben in den Bäumen, ſie ſehen
mich mit allen ihren Mienen an, wenn ich
zu ihnen bete, und fordern mich auf, ſie
abzuzeichnen. Dann greife ich nach Pinſel
und Pallette, und mein bewegtes Gemüth,
von der Inbrunſt zu den hohen Männern,
von der Liebe zur verfloſſenen Zeit ergriffen,
ſchattirt die Trefflichkeiten mit irrdiſchen Far¬
ben hin, die in meinem Sinn, vor meinen
Augen erglänzen.

So ſeyd Ihr ein glücklicher Mann,
ſagte Franz, der über dieſe Rede erſtaunte.

Wie Ihr es wollt, ſagte der Alte, der
Künſtler ſollte nach meinem Urtheile niemals
anders arbeiten, und was iſt ſeine Begeiſte¬
rung denn anders? Dem Mahler muß al¬
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[120/0128] die Bildniſſe der Apoſtel, der heiligen Mär¬ tyrer hoch oben in den Bäumen, ſie ſehen mich mit allen ihren Mienen an, wenn ich zu ihnen bete, und fordern mich auf, ſie abzuzeichnen. Dann greife ich nach Pinſel und Pallette, und mein bewegtes Gemüth, von der Inbrunſt zu den hohen Männern, von der Liebe zur verfloſſenen Zeit ergriffen, ſchattirt die Trefflichkeiten mit irrdiſchen Far¬ ben hin, die in meinem Sinn, vor meinen Augen erglänzen. So ſeyd Ihr ein glücklicher Mann, ſagte Franz, der über dieſe Rede erſtaunte. Wie Ihr es wollt, ſagte der Alte, der Künſtler ſollte nach meinem Urtheile niemals anders arbeiten, und was iſt ſeine Begeiſte¬ rung denn anders? Dem Mahler muß al¬ les wirklich ſeyn, denn was iſt es ſonſt, das er darſtellen will? Sein Gemüth muß wie ein Strom bewegt ſeyn, ſo daß ſich ſeine

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/128>, abgerufen am 28.03.2024.