über ihn hinweg, ihm war fast noch nie so wohl gewesen.
Das Reisen, sagte er zu sich selber, ist etwas trefliches, diese Freiheit der Natur, diese Regsamkeit aller Kreaturen, der reine weite Himmel und der Menschengeist der alles dies zusammenfassen und in Einen Ge¬ danken zusammenstellen kann -- o glücklich ist der, der bald die enge Heimath verläßt, um wie der Vogel seinen Fittig zu prüfen und sich auf unbekannten, noch schönern Zweigen zu schaukeln. Welche Welten ent¬ wickeln sich im Gemüthe, wenn die freie Natur umher mit kühner Sprache in uns hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unser Herz trift und alle Empfindungen zugleich anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß ich ein guter Mahler würde, denn warum sollte ich es nicht werden können, da mein ganzer Sinn sich so der Kunst zuwendet,
über ihn hinweg, ihm war faſt noch nie ſo wohl geweſen.
Das Reiſen, ſagte er zu ſich ſelber, iſt etwas trefliches, dieſe Freiheit der Natur, dieſe Regſamkeit aller Kreaturen, der reine weite Himmel und der Menſchengeiſt der alles dies zuſammenfaſſen und in Einen Ge¬ danken zuſammenſtellen kann — o glücklich iſt der, der bald die enge Heimath verläßt, um wie der Vogel ſeinen Fittig zu prüfen und ſich auf unbekannten, noch ſchönern Zweigen zu ſchaukeln. Welche Welten ent¬ wickeln ſich im Gemüthe, wenn die freie Natur umher mit kühner Sprache in uns hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unſer Herz trift und alle Empfindungen zugleich anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß ich ein guter Mahler würde, denn warum ſollte ich es nicht werden können, da mein ganzer Sinn ſich ſo der Kunſt zuwendet,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0049"n="38"/>
über ihn hinweg, ihm war faſt noch nie ſo<lb/>
wohl geweſen.</p><lb/><p>Das Reiſen, ſagte er zu ſich ſelber, iſt<lb/>
etwas trefliches, dieſe Freiheit der Natur,<lb/>
dieſe Regſamkeit aller Kreaturen, der reine<lb/>
weite Himmel und der Menſchengeiſt der<lb/>
alles dies zuſammenfaſſen und in Einen Ge¬<lb/>
danken zuſammenſtellen kann — o glücklich<lb/>
iſt der, der bald die enge Heimath verläßt,<lb/>
um wie der Vogel ſeinen Fittig zu prüfen<lb/>
und ſich auf unbekannten, noch ſchönern<lb/>
Zweigen zu ſchaukeln. Welche Welten ent¬<lb/>
wickeln ſich im Gemüthe, wenn die freie<lb/>
Natur umher mit kühner Sprache in uns<lb/>
hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unſer<lb/>
Herz trift und alle Empfindungen zugleich<lb/>
anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß<lb/>
ich ein guter Mahler würde, denn warum<lb/>ſollte ich es nicht werden können, da mein<lb/>
ganzer Sinn ſich ſo der Kunſt zuwendet,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[38/0049]
über ihn hinweg, ihm war faſt noch nie ſo
wohl geweſen.
Das Reiſen, ſagte er zu ſich ſelber, iſt
etwas trefliches, dieſe Freiheit der Natur,
dieſe Regſamkeit aller Kreaturen, der reine
weite Himmel und der Menſchengeiſt der
alles dies zuſammenfaſſen und in Einen Ge¬
danken zuſammenſtellen kann — o glücklich
iſt der, der bald die enge Heimath verläßt,
um wie der Vogel ſeinen Fittig zu prüfen
und ſich auf unbekannten, noch ſchönern
Zweigen zu ſchaukeln. Welche Welten ent¬
wickeln ſich im Gemüthe, wenn die freie
Natur umher mit kühner Sprache in uns
hineinredet, wenn jeder ihrer Töne unſer
Herz trift und alle Empfindungen zugleich
anrührt. Ich möchte von mir glauben, daß
ich ein guter Mahler würde, denn warum
ſollte ich es nicht werden können, da mein
ganzer Sinn ſich ſo der Kunſt zuwendet,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/49>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.