Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

stark und unüberwindlich seyn müßten, wie
jeder dem Ganzen dienen sollte und nichts
da seyn, nichts ausgeübt werden dürfte, was
nicht den allgemeinen Nutzen beförderte:
und ich betrachte dann die menschliche Ge¬
sellschaft, wie sie wirklich ist, so weiß ich
nicht, was ich dazu sagen soll. Es scheint
fast, als wäre die Vereinigung nicht ent¬
standen, um allgemein besser zu werden,
sondern um sich gegenseitig zu verschlim¬
mern. Da ist keine Aufmunterung zur Tu¬
gend, keine Abhärtung zum Kriege, keine
Liebe des Vaterlands und der Religion, ja
es ist keine Religion und kein Vaterland
da, sondern jeder glaubt sich selbst der näch
ste zu seyn, und häuft, ohne auf den gemei¬
nen Nutzen zu sehn, die Güter auf erlaub
te und unerlaubte Art zusammen, und ver
tändelt übrigens seine Zeit mit dem ersten
dem besten Steckenpferde. Die Kunst vor

ſtark und unüberwindlich ſeyn müßten, wie
jeder dem Ganzen dienen ſollte und nichts
da ſeyn, nichts ausgeübt werden dürfte, was
nicht den allgemeinen Nutzen beförderte:
und ich betrachte dann die menſchliche Ge¬
ſellſchaft, wie ſie wirklich iſt, ſo weiß ich
nicht, was ich dazu ſagen ſoll. Es ſcheint
faſt, als wäre die Vereinigung nicht ent¬
ſtanden, um allgemein beſſer zu werden,
ſondern um ſich gegenſeitig zu verſchlim¬
mern. Da iſt keine Aufmunterung zur Tu¬
gend, keine Abhärtung zum Kriege, keine
Liebe des Vaterlands und der Religion, ja
es iſt keine Religion und kein Vaterland
da, ſondern jeder glaubt ſich ſelbſt der näch
ſte zu ſeyn, und häuft, ohne auf den gemei¬
nen Nutzen zu ſehn, die Güter auf erlaub
te und unerlaubte Art zuſammen, und ver
tändelt übrigens ſeine Zeit mit dem erſten
dem beſten Steckenpferde. Die Kunſt vor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0349" n="338"/>
&#x017F;tark und unüberwindlich &#x017F;eyn müßten, wie<lb/>
jeder dem Ganzen dienen &#x017F;ollte und nichts<lb/>
da &#x017F;eyn, nichts ausgeübt werden dürfte, was<lb/>
nicht den allgemeinen Nutzen beförderte:<lb/>
und ich betrachte dann die men&#x017F;chliche Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft, wie &#x017F;ie wirklich i&#x017F;t, &#x017F;o weiß ich<lb/>
nicht, was ich dazu &#x017F;agen &#x017F;oll. Es &#x017F;cheint<lb/>
fa&#x017F;t, als wäre die Vereinigung nicht ent¬<lb/>
&#x017F;tanden, um allgemein be&#x017F;&#x017F;er zu werden,<lb/>
&#x017F;ondern um &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig zu ver&#x017F;chlim¬<lb/>
mern. Da i&#x017F;t keine Aufmunterung zur Tu¬<lb/>
gend, keine Abhärtung zum Kriege, keine<lb/>
Liebe des Vaterlands und der Religion, ja<lb/>
es i&#x017F;t keine Religion und kein Vaterland<lb/>
da, &#x017F;ondern jeder glaubt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t der näch<lb/>
&#x017F;te zu &#x017F;eyn, und häuft, ohne auf den gemei¬<lb/>
nen Nutzen zu &#x017F;ehn, die Güter auf erlaub<lb/>
te und unerlaubte Art zu&#x017F;ammen, und ver<lb/>
tändelt übrigens &#x017F;eine Zeit mit dem er&#x017F;ten<lb/>
dem be&#x017F;ten Steckenpferde. Die Kun&#x017F;t vor<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0349] ſtark und unüberwindlich ſeyn müßten, wie jeder dem Ganzen dienen ſollte und nichts da ſeyn, nichts ausgeübt werden dürfte, was nicht den allgemeinen Nutzen beförderte: und ich betrachte dann die menſchliche Ge¬ ſellſchaft, wie ſie wirklich iſt, ſo weiß ich nicht, was ich dazu ſagen ſoll. Es ſcheint faſt, als wäre die Vereinigung nicht ent¬ ſtanden, um allgemein beſſer zu werden, ſondern um ſich gegenſeitig zu verſchlim¬ mern. Da iſt keine Aufmunterung zur Tu¬ gend, keine Abhärtung zum Kriege, keine Liebe des Vaterlands und der Religion, ja es iſt keine Religion und kein Vaterland da, ſondern jeder glaubt ſich ſelbſt der näch ſte zu ſeyn, und häuft, ohne auf den gemei¬ nen Nutzen zu ſehn, die Güter auf erlaub te und unerlaubte Art zuſammen, und ver tändelt übrigens ſeine Zeit mit dem erſten dem beſten Steckenpferde. Die Kunſt vor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/349
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/349>, abgerufen am 22.11.2024.