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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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Bist Du aber nie traurig oder verdrü߬
lich?

O ja, warum das nicht? Es kehren bei
jedem Menschen Stunden ein, in denen er
nicht weiß, was er mit sich selber anfangen
soll, wo er herumgreift, und nach allen sei¬
nen Talenten oder Kenntnissen, oder Narr¬
heiten sucht, um sich zu trösten, und nichts
will ihm helfen. Oft ist unser eignes närri¬
sches Herz die Quelle dieser Übel. Aber bei
mir dauert ein solcher Zustand nie lange.
So könnt' ich mich grämen, wenn ich an
Bianka denke, sie kann krank sein, sie
kann sterben, sie kann mich vergessen, und
dann mache ich mir Vorwürfe darüber, daß
ich mich zu dieser Reise drängte, die auch
jeder andre hätte unternehmen können.
Doch, was hilft alles Sorgen?

Er warf sich unter einen Baum, und
zog ein kleines Instrument hervor, das die

Biſt Du aber nie traurig oder verdrü߬
lich?

O ja, warum das nicht? Es kehren bei
jedem Menſchen Stunden ein, in denen er
nicht weiß, was er mit ſich ſelber anfangen
ſoll, wo er herumgreift, und nach allen ſei¬
nen Talenten oder Kenntniſſen, oder Narr¬
heiten ſucht, um ſich zu tröſten, und nichts
will ihm helfen. Oft iſt unſer eignes närri¬
ſches Herz die Quelle dieſer Übel. Aber bei
mir dauert ein ſolcher Zuſtand nie lange.
So könnt' ich mich grämen, wenn ich an
Bianka denke, ſie kann krank ſein, ſie
kann ſterben, ſie kann mich vergeſſen, und
dann mache ich mir Vorwürfe darüber, daß
ich mich zu dieſer Reiſe drängte, die auch
jeder andre hätte unternehmen können.
Doch, was hilft alles Sorgen?

Er warf ſich unter einen Baum, und
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[317/0328] Biſt Du aber nie traurig oder verdrü߬ lich? O ja, warum das nicht? Es kehren bei jedem Menſchen Stunden ein, in denen er nicht weiß, was er mit ſich ſelber anfangen ſoll, wo er herumgreift, und nach allen ſei¬ nen Talenten oder Kenntniſſen, oder Narr¬ heiten ſucht, um ſich zu tröſten, und nichts will ihm helfen. Oft iſt unſer eignes närri¬ ſches Herz die Quelle dieſer Übel. Aber bei mir dauert ein ſolcher Zuſtand nie lange. So könnt' ich mich grämen, wenn ich an Bianka denke, ſie kann krank ſein, ſie kann ſterben, ſie kann mich vergeſſen, und dann mache ich mir Vorwürfe darüber, daß ich mich zu dieſer Reiſe drängte, die auch jeder andre hätte unternehmen können. Doch, was hilft alles Sorgen? Er warf ſich unter einen Baum, und zog ein kleines Inſtrument hervor, das die

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/328>, abgerufen am 26.05.2024.