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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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mel hervor. Da hörten sie plötzlich von ab¬
seits her ein geistliches Lied ertönen, sie gin¬
gen dem Schalle nach, und sahen in einiger
Entfernung die Klause eines Einsiedels vor
sich, ein kleines Licht brannte in der Zelle
und er kniete vor einem Crucifixe nieder, in¬
dem er mit lauter Stimme sang. Sie hör¬
ten eine Weile dem Liede zu, die Nacht
war hereingebrochen, die ganze übrige Welt
war still; dann gingen sie Hand in Hand
näher. Als sie vor der Zelle stand, fragte
Ferdinand das Mädchen leise: Liebst Du
mich? Sie schlug die Augen nieder, und
drückte ihm die Hand; er wagte es und
drückte einen Kuß auf ihren schönen Mund;
sie wiedersezte sich nicht. Zitternd traten sie
zum Eremiten hinein, und baten um ein
Nachtlager als verirrte Wanderer. Der al¬
te Einsiedels hieß sie willkommen, und ließ
sie niedersitzen, dann trug er ihnen ein klei¬

nes

mel hervor. Da hörten ſie plötzlich von ab¬
ſeits her ein geiſtliches Lied ertönen, ſie gin¬
gen dem Schalle nach, und ſahen in einiger
Entfernung die Klauſe eines Einſiedels vor
ſich, ein kleines Licht brannte in der Zelle
und er kniete vor einem Crucifixe nieder, in¬
dem er mit lauter Stimme ſang. Sie hör¬
ten eine Weile dem Liede zu, die Nacht
war hereingebrochen, die ganze übrige Welt
war ſtill; dann gingen ſie Hand in Hand
näher. Als ſie vor der Zelle ſtand, fragte
Ferdinand das Mädchen leiſe: Liebſt Du
mich? Sie ſchlug die Augen nieder, und
drückte ihm die Hand; er wagte es und
drückte einen Kuß auf ihren ſchönen Mund;
ſie wiederſezte ſich nicht. Zitternd traten ſie
zum Eremiten hinein, und baten um ein
Nachtlager als verirrte Wanderer. Der al¬
te Einſiedels hieß ſie willkommen, und ließ
ſie niederſitzen, dann trug er ihnen ein klei¬

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[304/0315] mel hervor. Da hörten ſie plötzlich von ab¬ ſeits her ein geiſtliches Lied ertönen, ſie gin¬ gen dem Schalle nach, und ſahen in einiger Entfernung die Klauſe eines Einſiedels vor ſich, ein kleines Licht brannte in der Zelle und er kniete vor einem Crucifixe nieder, in¬ dem er mit lauter Stimme ſang. Sie hör¬ ten eine Weile dem Liede zu, die Nacht war hereingebrochen, die ganze übrige Welt war ſtill; dann gingen ſie Hand in Hand näher. Als ſie vor der Zelle ſtand, fragte Ferdinand das Mädchen leiſe: Liebſt Du mich? Sie ſchlug die Augen nieder, und drückte ihm die Hand; er wagte es und drückte einen Kuß auf ihren ſchönen Mund; ſie wiederſezte ſich nicht. Zitternd traten ſie zum Eremiten hinein, und baten um ein Nachtlager als verirrte Wanderer. Der al¬ te Einſiedels hieß ſie willkommen, und ließ ſie niederſitzen, dann trug er ihnen ein klei¬ nes

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/315>, abgerufen am 26.05.2024.