Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

In den lezten Worten des Lukas schien ihm
der Schlüssel, die Auflösung zu allen seinen
Zweifeln zu liegen, nur konnte er den Ge¬
danken nicht deutlich fassen; er hatte von
seinem Lehrmeister noch nie eine ähnliche
Äusserung über die Kunst gehört, sie auch
in keinem seiner Bücher angetroffen; es
schien ihm sogar, als wenn Dürer auf die¬
sen Gedanken nicht so viel gebe als er
werth sey, daß er die Folgen nicht so be¬
merke, die alle in ihm lägen. Er konnte
auf das jetzige Gespräch nicht Acht geben,
vorzüglich da die Niederländerinn anfing
sich nach allen Nürnbergischen Trachten der
verschiedenen Stände zu erkundigen, und
den Anzug der Dürerschen Hausfrau vom
Kopfe bis zu den Füßen musterte.

Plötzlich sprang Lukas mit seiner Behen¬
digkeit vom Tische auf, fiel seiner Frau um
den Hals, und rief aus: Mein liebstes Kind,

P

In den lezten Worten des Lukas ſchien ihm
der Schlüſſel, die Auflöſung zu allen ſeinen
Zweifeln zu liegen, nur konnte er den Ge¬
danken nicht deutlich faſſen; er hatte von
ſeinem Lehrmeiſter noch nie eine ähnliche
Äuſſerung über die Kunſt gehört, ſie auch
in keinem ſeiner Bücher angetroffen; es
ſchien ihm ſogar, als wenn Dürer auf die¬
ſen Gedanken nicht ſo viel gebe als er
werth ſey, daß er die Folgen nicht ſo be¬
merke, die alle in ihm lägen. Er konnte
auf das jetzige Geſpräch nicht Acht geben,
vorzüglich da die Niederländerinn anfing
ſich nach allen Nürnbergiſchen Trachten der
verſchiedenen Stände zu erkundigen, und
den Anzug der Dürerſchen Hausfrau vom
Kopfe bis zu den Füßen muſterte.

Plötzlich ſprang Lukas mit ſeiner Behen¬
digkeit vom Tiſche auf, fiel ſeiner Frau um
den Hals, und rief aus: Mein liebſtes Kind,

P
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0236" n="225"/>
            <p>In den lezten Worten des Lukas &#x017F;chien ihm<lb/>
der Schlü&#x017F;&#x017F;el, die Auflö&#x017F;ung zu allen &#x017F;einen<lb/>
Zweifeln zu liegen, nur konnte er den Ge¬<lb/>
danken nicht deutlich fa&#x017F;&#x017F;en; er hatte von<lb/>
&#x017F;einem Lehrmei&#x017F;ter noch nie eine ähnliche<lb/>
Äu&#x017F;&#x017F;erung über die Kun&#x017F;t gehört, &#x017F;ie auch<lb/>
in keinem &#x017F;einer Bücher angetroffen; es<lb/>
&#x017F;chien ihm &#x017F;ogar, als wenn Dürer auf die¬<lb/>
&#x017F;en Gedanken nicht &#x017F;o viel gebe als er<lb/>
werth &#x017F;ey, daß er die Folgen nicht &#x017F;o be¬<lb/>
merke, die alle in ihm lägen. Er konnte<lb/>
auf das jetzige Ge&#x017F;präch nicht Acht geben,<lb/>
vorzüglich da die Niederländerinn anfing<lb/>
&#x017F;ich nach allen Nürnbergi&#x017F;chen Trachten der<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Stände zu erkundigen, und<lb/>
den Anzug der Dürer&#x017F;chen Hausfrau vom<lb/>
Kopfe bis zu den Füßen mu&#x017F;terte.</p><lb/>
            <p>Plötzlich &#x017F;prang Lukas mit &#x017F;einer Behen¬<lb/>
digkeit vom Ti&#x017F;che auf, fiel &#x017F;einer Frau um<lb/>
den Hals, und rief aus: Mein lieb&#x017F;tes Kind,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0236] In den lezten Worten des Lukas ſchien ihm der Schlüſſel, die Auflöſung zu allen ſeinen Zweifeln zu liegen, nur konnte er den Ge¬ danken nicht deutlich faſſen; er hatte von ſeinem Lehrmeiſter noch nie eine ähnliche Äuſſerung über die Kunſt gehört, ſie auch in keinem ſeiner Bücher angetroffen; es ſchien ihm ſogar, als wenn Dürer auf die¬ ſen Gedanken nicht ſo viel gebe als er werth ſey, daß er die Folgen nicht ſo be¬ merke, die alle in ihm lägen. Er konnte auf das jetzige Geſpräch nicht Acht geben, vorzüglich da die Niederländerinn anfing ſich nach allen Nürnbergiſchen Trachten der verſchiedenen Stände zu erkundigen, und den Anzug der Dürerſchen Hausfrau vom Kopfe bis zu den Füßen muſterte. Plötzlich ſprang Lukas mit ſeiner Behen¬ digkeit vom Tiſche auf, fiel ſeiner Frau um den Hals, und rief aus: Mein liebſtes Kind, P

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/236
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/236>, abgerufen am 07.05.2024.