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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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solchen Fehler zu fallen. -- Wie macht Ihr
es aber, Albrecht, daß Ihr so viele Gedan¬
ken, so viele Erfindungen in Eurem Kopfe
habt?

Ihr irrt Euch an mir, sagte Albrecht,
wenn Ihr mich für so erfindungsreich haltet.
Nur wenige meiner Bilder sind aus dem
bloßen Vorsatz enstanden, sondern es war
immer eine zufällige Gelegenheit die sie ver¬
anlaßte. Wenn ich irgend ein Gemählde
loben höre, oder eine der heiligen Geschich¬
ten wieder erzählen höre, so regt sich's dann
plötzlich in mir, daß ich ein ganz neues Ge¬
lüst empfinde, gerade das und nichts anders
darzustellen. Das eigentliche Erfinden ist
gewiß sehr selten, es ist eine eigne und
wunderbare Gabe, etwas bis dahin Uner¬
hörtes hervorzubringen. Was uns erfunden
scheint, ist gewöhnlich nur aus älteren schon
vorhandenen Dingen zusammengesetzt, und

ſolchen Fehler zu fallen. — Wie macht Ihr
es aber, Albrecht, daß Ihr ſo viele Gedan¬
ken, ſo viele Erfindungen in Eurem Kopfe
habt?

Ihr irrt Euch an mir, ſagte Albrecht,
wenn Ihr mich für ſo erfindungsreich haltet.
Nur wenige meiner Bilder ſind aus dem
bloßen Vorſatz enſtanden, ſondern es war
immer eine zufällige Gelegenheit die ſie ver¬
anlaßte. Wenn ich irgend ein Gemählde
loben höre, oder eine der heiligen Geſchich¬
ten wieder erzählen höre, ſo regt ſich's dann
plötzlich in mir, daß ich ein ganz neues Ge¬
lüſt empfinde, gerade das und nichts anders
darzuſtellen. Das eigentliche Erfinden iſt
gewiß ſehr ſelten, es iſt eine eigne und
wunderbare Gabe, etwas bis dahin Uner¬
hörtes hervorzubringen. Was uns erfunden
ſcheint, iſt gewöhnlich nur aus älteren ſchon
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[221/0232] ſolchen Fehler zu fallen. — Wie macht Ihr es aber, Albrecht, daß Ihr ſo viele Gedan¬ ken, ſo viele Erfindungen in Eurem Kopfe habt? Ihr irrt Euch an mir, ſagte Albrecht, wenn Ihr mich für ſo erfindungsreich haltet. Nur wenige meiner Bilder ſind aus dem bloßen Vorſatz enſtanden, ſondern es war immer eine zufällige Gelegenheit die ſie ver¬ anlaßte. Wenn ich irgend ein Gemählde loben höre, oder eine der heiligen Geſchich¬ ten wieder erzählen höre, ſo regt ſich's dann plötzlich in mir, daß ich ein ganz neues Ge¬ lüſt empfinde, gerade das und nichts anders darzuſtellen. Das eigentliche Erfinden iſt gewiß ſehr ſelten, es iſt eine eigne und wunderbare Gabe, etwas bis dahin Uner¬ hörtes hervorzubringen. Was uns erfunden ſcheint, iſt gewöhnlich nur aus älteren ſchon vorhandenen Dingen zuſammengeſetzt, und

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/232>, abgerufen am 26.11.2024.