Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

war. Es ist der heilige Hubertus, der auf
der Jagd einem Hirsche mit einem Krucifixe
zwischen dem Geweih begegnet, und sich bei
diesem Anblicke bekehrt und seine Lebenswei¬
se ändert. Seht hieher, es ist für mich ein
merkwürdiges Blatt, nicht bloß der schönen
Ausführung, sondern vorzüglich der Gedan¬
ken halber die für mich darinn liegen. Die
Gegend ist Wald, und Dürer hat einen ho¬
hen Standtpunkt angenommen, weshalb ihn
nur ein Unverständiger tadeln könnte, denn
wenn auch ein dichter Wald, wo wir nur
wenige große Bäume wahrnähmen, etwas
natürlicher beim ersten Anblick in die Augen
fallen dürfte, so könnte das doch nimmer¬
mehr das Gefühl der völligen Einsamkeit so
ausdrücken und darstellen wie es hier ge¬
schieht, wo das Auge weit und breit alles
übersieht, einzelne Hügel und lichte Waldge¬
genden. Ich glaube auch, daß manche Leu¬

war. Es iſt der heilige Hubertus, der auf
der Jagd einem Hirſche mit einem Krucifixe
zwiſchen dem Geweih begegnet, und ſich bei
dieſem Anblicke bekehrt und ſeine Lebenswei¬
ſe ändert. Seht hieher, es iſt für mich ein
merkwürdiges Blatt, nicht bloß der ſchönen
Ausführung, ſondern vorzüglich der Gedan¬
ken halber die für mich darinn liegen. Die
Gegend iſt Wald, und Dürer hat einen ho¬
hen Standtpunkt angenommen, weshalb ihn
nur ein Unverſtändiger tadeln könnte, denn
wenn auch ein dichter Wald, wo wir nur
wenige große Bäume wahrnähmen, etwas
natürlicher beim erſten Anblick in die Augen
fallen dürfte, ſo könnte das doch nimmer¬
mehr das Gefühl der völligen Einſamkeit ſo
ausdrücken und darſtellen wie es hier ge¬
ſchieht, wo das Auge weit und breit alles
überſieht, einzelne Hügel und lichte Waldge¬
genden. Ich glaube auch, daß manche Leu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0208" n="197"/>
war. Es i&#x017F;t der heilige Hubertus, der auf<lb/>
der Jagd einem Hir&#x017F;che mit einem Krucifixe<lb/>
zwi&#x017F;chen dem Geweih begegnet, und &#x017F;ich bei<lb/>
die&#x017F;em Anblicke bekehrt und &#x017F;eine Lebenswei¬<lb/>
&#x017F;e ändert. Seht hieher, es i&#x017F;t für mich ein<lb/>
merkwürdiges Blatt, nicht bloß der &#x017F;chönen<lb/>
Ausführung, &#x017F;ondern vorzüglich der Gedan¬<lb/>
ken halber die für mich darinn liegen. Die<lb/>
Gegend i&#x017F;t Wald, und Dürer hat einen ho¬<lb/>
hen Standtpunkt angenommen, weshalb ihn<lb/>
nur ein Unver&#x017F;tändiger tadeln könnte, denn<lb/>
wenn auch ein dichter Wald, wo wir nur<lb/>
wenige große Bäume wahrnähmen, etwas<lb/>
natürlicher beim er&#x017F;ten Anblick in die Augen<lb/>
fallen dürfte, &#x017F;o könnte das doch nimmer¬<lb/>
mehr das Gefühl der völligen Ein&#x017F;amkeit &#x017F;o<lb/>
ausdrücken und dar&#x017F;tellen wie es hier ge¬<lb/>
&#x017F;chieht, wo das Auge weit und breit alles<lb/>
über&#x017F;ieht, einzelne Hügel und lichte Waldge¬<lb/>
genden. Ich glaube auch, daß manche Leu¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0208] war. Es iſt der heilige Hubertus, der auf der Jagd einem Hirſche mit einem Krucifixe zwiſchen dem Geweih begegnet, und ſich bei dieſem Anblicke bekehrt und ſeine Lebenswei¬ ſe ändert. Seht hieher, es iſt für mich ein merkwürdiges Blatt, nicht bloß der ſchönen Ausführung, ſondern vorzüglich der Gedan¬ ken halber die für mich darinn liegen. Die Gegend iſt Wald, und Dürer hat einen ho¬ hen Standtpunkt angenommen, weshalb ihn nur ein Unverſtändiger tadeln könnte, denn wenn auch ein dichter Wald, wo wir nur wenige große Bäume wahrnähmen, etwas natürlicher beim erſten Anblick in die Augen fallen dürfte, ſo könnte das doch nimmer¬ mehr das Gefühl der völligen Einſamkeit ſo ausdrücken und darſtellen wie es hier ge¬ ſchieht, wo das Auge weit und breit alles überſieht, einzelne Hügel und lichte Waldge¬ genden. Ich glaube auch, daß manche Leu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/208
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/208>, abgerufen am 07.05.2024.