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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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weil an diesem Tage alle Vorstellungen so
schwer in seine Seele fielen, daß sie lange
hafteten. Ihm lag Herr Zeuner von neuem
in den Gedanken, er sah die ganze Gesell¬
schaft noch einmahl, und fühlte alle Beäng¬
stigungen wieder, die er dort erlitten hatte.
Es kann nicht seyn, liebe Mutter, sagte er
endlich. Seht, ich habe so lange auf die
Gelegenheit zum Reisen gewartet, jetzt ist
sie gekommen, und ich kann sie nicht wieder
aus den Händen gehen lassen. Ich habe
mir ängstlich und sorgsam all' mein Geld,
dessen ich habhaft werden konnte, dazu ge¬
sammelt, was würde Dürer sagen, wenn
ich jetzt alles aufgäbe?

Die Mutter wurde über diese Antwort
sehr betrübt, sie sagte sehr weichherzig:
Was aber suchst Du in der Welt, lieber
Sohn? Was kann Dich, so heftig antreiben
ein ungewisses Glück zu erproben? Ist denn

weil an dieſem Tage alle Vorſtellungen ſo
ſchwer in ſeine Seele fielen, daß ſie lange
hafteten. Ihm lag Herr Zeuner von neuem
in den Gedanken, er ſah die ganze Geſell¬
ſchaft noch einmahl, und fühlte alle Beäng¬
ſtigungen wieder, die er dort erlitten hatte.
Es kann nicht ſeyn, liebe Mutter, ſagte er
endlich. Seht, ich habe ſo lange auf die
Gelegenheit zum Reiſen gewartet, jetzt iſt
ſie gekommen, und ich kann ſie nicht wieder
aus den Händen gehen laſſen. Ich habe
mir ängſtlich und ſorgſam all' mein Geld,
deſſen ich habhaft werden konnte, dazu ge¬
ſammelt, was würde Dürer ſagen, wenn
ich jetzt alles aufgäbe?

Die Mutter wurde über dieſe Antwort
ſehr betrübt, ſie ſagte ſehr weichherzig:
Was aber ſuchſt Du in der Welt, lieber
Sohn? Was kann Dich, ſo heftig antreiben
ein ungewiſſes Glück zu erproben? Iſt denn

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[92/0103] weil an dieſem Tage alle Vorſtellungen ſo ſchwer in ſeine Seele fielen, daß ſie lange hafteten. Ihm lag Herr Zeuner von neuem in den Gedanken, er ſah die ganze Geſell¬ ſchaft noch einmahl, und fühlte alle Beäng¬ ſtigungen wieder, die er dort erlitten hatte. Es kann nicht ſeyn, liebe Mutter, ſagte er endlich. Seht, ich habe ſo lange auf die Gelegenheit zum Reiſen gewartet, jetzt iſt ſie gekommen, und ich kann ſie nicht wieder aus den Händen gehen laſſen. Ich habe mir ängſtlich und ſorgſam all' mein Geld, deſſen ich habhaft werden konnte, dazu ge¬ ſammelt, was würde Dürer ſagen, wenn ich jetzt alles aufgäbe? Die Mutter wurde über dieſe Antwort ſehr betrübt, ſie ſagte ſehr weichherzig: Was aber ſuchſt Du in der Welt, lieber Sohn? Was kann Dich, ſo heftig antreiben ein ungewiſſes Glück zu erproben? Iſt denn

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/103>, abgerufen am 23.11.2024.