Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Fortunat.
dreißig Pfund anspricht, mit demselben Gesicht,
das er wie ein abgeprügelter Kater in den Mond-
schein hinein streckt. O Du armseliger Lump! Um
das Meinige willst Du mich bringen? Was hab'
ich von Dir? Meine Zeit habe ich bei Dir verlo-
ren, meine Freunde, Grafen und Herren von mir
verscheucht; und nun kommst Du, und willst bor-
gen? Borgen von mir?
Fortunat. Kannst Du so mit mir sprechen?
Ist es dieselbe Betty, die ich sonst kannte? Wenn
Du kein Geld hast, laß mich ein, es ist kalt, mich
hungert, laß uns in Traulichkeit noch einmal eine
gute Mahlzeit, eine Flasche Wein mit einander
genießen: das kannst Du doch wohl für den thun,
für den Du Dein Leben aufopfern wolltest?
Betty. Auch noch kein Glas Dünnbier, Du
jämmerlicher Kerl. Anne, wenn er nicht geht, so
lauf nach der Schaarwache.
(macht das Fenster zu.)
Fortunat. Träum' ich? Nein, es ist Wahr-
heit, aus ihrem Munde spricht mein härtestes Ver-
hängniß und schilt so bitter meinen Leichtsinn, meine
verlorne Zeit, meine verdorbnen Sitten. O ihr
Sterne! daß ich das erleben, daß ich mich so ver-
achten muß.
Antonio. Das war ein schlechter Trost, Bruder.
Walther. Kann denn dein Magen das vertra-
gen, Italiäner? Bist Du denn so gar nichtsnützig,
daß die Creatur, die Du erhalten, gekleidet hast,
die Dich bestahl und plünderte, daß die so mit Dir
reden darf? Schämst Du Dich nicht, daß Du ihr
nicht mit derselben Hand einige Zähne einschlugst,
Fortunat.
dreißig Pfund anſpricht, mit demſelben Geſicht,
das er wie ein abgepruͤgelter Kater in den Mond-
ſchein hinein ſtreckt. O Du armſeliger Lump! Um
das Meinige willſt Du mich bringen? Was hab'
ich von Dir? Meine Zeit habe ich bei Dir verlo-
ren, meine Freunde, Grafen und Herren von mir
verſcheucht; und nun kommſt Du, und willſt bor-
gen? Borgen von mir?
Fortunat. Kannſt Du ſo mit mir ſprechen?
Iſt es dieſelbe Betty, die ich ſonſt kannte? Wenn
Du kein Geld haſt, laß mich ein, es iſt kalt, mich
hungert, laß uns in Traulichkeit noch einmal eine
gute Mahlzeit, eine Flaſche Wein mit einander
genießen: das kannſt Du doch wohl fuͤr den thun,
fuͤr den Du Dein Leben aufopfern wollteſt?
Betty. Auch noch kein Glas Duͤnnbier, Du
jaͤmmerlicher Kerl. Anne, wenn er nicht geht, ſo
lauf nach der Schaarwache.
(macht das Fenſter zu.)
Fortunat. Traͤum' ich? Nein, es iſt Wahr-
heit, aus ihrem Munde ſpricht mein haͤrteſtes Ver-
haͤngniß und ſchilt ſo bitter meinen Leichtſinn, meine
verlorne Zeit, meine verdorbnen Sitten. O ihr
Sterne! daß ich das erleben, daß ich mich ſo ver-
achten muß.
Antonio. Das war ein ſchlechter Troſt, Bruder.
Walther. Kann denn dein Magen das vertra-
gen, Italiaͤner? Biſt Du denn ſo gar nichtsnuͤtzig,
daß die Creatur, die Du erhalten, gekleidet haſt,
die Dich beſtahl und pluͤnderte, daß die ſo mit Dir
reden darf? Schaͤmſt Du Dich nicht, daß Du ihr
nicht mit derſelben Hand einige Zaͤhne einſchlugſt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#Betty">
                <p><pb facs="#f0087" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/>
dreißig Pfund an&#x017F;pricht, mit dem&#x017F;elben Ge&#x017F;icht,<lb/>
das er wie ein abgepru&#x0364;gelter Kater in den Mond-<lb/>
&#x017F;chein hinein &#x017F;treckt. O Du arm&#x017F;eliger Lump! Um<lb/>
das Meinige will&#x017F;t Du mich bringen? Was hab'<lb/>
ich von Dir? Meine Zeit habe ich bei Dir verlo-<lb/>
ren, meine Freunde, Grafen und Herren von mir<lb/>
ver&#x017F;cheucht; und nun komm&#x017F;t Du, und will&#x017F;t bor-<lb/>
gen? Borgen von mir?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#FORT">
                <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker>
                <p>Kann&#x017F;t Du &#x017F;o mit mir &#x017F;prechen?<lb/>
I&#x017F;t es die&#x017F;elbe Betty, die ich &#x017F;on&#x017F;t kannte? Wenn<lb/>
Du kein Geld ha&#x017F;t, laß mich ein, es i&#x017F;t kalt, mich<lb/>
hungert, laß uns in Traulichkeit noch einmal eine<lb/>
gute Mahlzeit, eine Fla&#x017F;che Wein mit einander<lb/>
genießen: das kann&#x017F;t Du doch wohl fu&#x0364;r den thun,<lb/>
fu&#x0364;r den Du Dein Leben aufopfern wollte&#x017F;t?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Betty">
                <speaker><hi rendition="#g">Betty</hi>.</speaker>
                <p>Auch noch kein Glas Du&#x0364;nnbier, Du<lb/>
ja&#x0364;mmerlicher Kerl. Anne, wenn er nicht geht, &#x017F;o<lb/>
lauf nach der Schaarwache.</p>
                <stage>(macht das Fen&#x017F;ter zu.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#FORT">
                <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker>
                <p>Tra&#x0364;um' ich? Nein, es i&#x017F;t Wahr-<lb/>
heit, aus ihrem Munde &#x017F;pricht mein ha&#x0364;rte&#x017F;tes Ver-<lb/>
ha&#x0364;ngniß und &#x017F;chilt &#x017F;o bitter meinen Leicht&#x017F;inn, meine<lb/>
verlorne Zeit, meine verdorbnen Sitten. O ihr<lb/>
Sterne! daß ich das erleben, daß ich mich &#x017F;o ver-<lb/>
achten muß.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Antonio">
                <speaker><hi rendition="#g">Antonio</hi>.</speaker>
                <p>Das war ein &#x017F;chlechter Tro&#x017F;t, Bruder.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#Walther">
                <speaker><hi rendition="#g">Walther</hi>.</speaker>
                <p>Kann denn dein Magen das vertra-<lb/>
gen, Italia&#x0364;ner? Bi&#x017F;t Du denn &#x017F;o gar nichtsnu&#x0364;tzig,<lb/>
daß die Creatur, die Du erhalten, gekleidet ha&#x017F;t,<lb/>
die Dich be&#x017F;tahl und plu&#x0364;nderte, daß die &#x017F;o mit Dir<lb/>
reden darf? Scha&#x0364;m&#x017F;t Du Dich nicht, daß Du ihr<lb/>
nicht mit der&#x017F;elben Hand einige Za&#x0364;hne ein&#x017F;chlug&#x017F;t,<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0087] Fortunat. dreißig Pfund anſpricht, mit demſelben Geſicht, das er wie ein abgepruͤgelter Kater in den Mond- ſchein hinein ſtreckt. O Du armſeliger Lump! Um das Meinige willſt Du mich bringen? Was hab' ich von Dir? Meine Zeit habe ich bei Dir verlo- ren, meine Freunde, Grafen und Herren von mir verſcheucht; und nun kommſt Du, und willſt bor- gen? Borgen von mir? Fortunat. Kannſt Du ſo mit mir ſprechen? Iſt es dieſelbe Betty, die ich ſonſt kannte? Wenn Du kein Geld haſt, laß mich ein, es iſt kalt, mich hungert, laß uns in Traulichkeit noch einmal eine gute Mahlzeit, eine Flaſche Wein mit einander genießen: das kannſt Du doch wohl fuͤr den thun, fuͤr den Du Dein Leben aufopfern wollteſt? Betty. Auch noch kein Glas Duͤnnbier, Du jaͤmmerlicher Kerl. Anne, wenn er nicht geht, ſo lauf nach der Schaarwache. (macht das Fenſter zu.) Fortunat. Traͤum' ich? Nein, es iſt Wahr- heit, aus ihrem Munde ſpricht mein haͤrteſtes Ver- haͤngniß und ſchilt ſo bitter meinen Leichtſinn, meine verlorne Zeit, meine verdorbnen Sitten. O ihr Sterne! daß ich das erleben, daß ich mich ſo ver- achten muß. Antonio. Das war ein ſchlechter Troſt, Bruder. Walther. Kann denn dein Magen das vertra- gen, Italiaͤner? Biſt Du denn ſo gar nichtsnuͤtzig, daß die Creatur, die Du erhalten, gekleidet haſt, die Dich beſtahl und pluͤnderte, daß die ſo mit Dir reden darf? Schaͤmſt Du Dich nicht, daß Du ihr nicht mit derſelben Hand einige Zaͤhne einſchlugſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/87
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/87>, abgerufen am 24.11.2024.