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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
vorherrschen mußte, wie ihm auch der Anstand
bei Theaterreden nie ganz gelang, dagegen das
Edle so sein Wesen war, daß Könige von ihm
wandeln, stehn und sitzen lernen konnten.

So ein ungeheures Wesen wäre mir lästig
geworden, fiel Auguste ein; hat er denn nie ge-
wöhnliche, bürgerliche Menschen dargestellt?

Viele, antwortete Lothar, es war eine Zeit,
wo er fast täglich spielte, und man ihn in bedeu-
tenden und unbedeutenden, ihm passenden und un-
passenden Personen sah. Die sogenannten Cha-
rakter-Rollen, jene zürnenden, eigensinnigen Vä-
ter, die alten Militairs, viele unbestimmte Bür-
germeister und wohlthuende Menschen, auch
wackre Landschulzen und handfeste Bauern gab
er tüchtig, edel und brav, und mischte ihnen
einen Humor bei, der sie höchst liebenswürdig
machte. Von den rührenden Figuren war der
Oberförster in den Jägern eine seiner schönsten,
launigsten und tiefsten Darstellungen. Kotzebue
konnte sich glücklich schätzen, daß dieses Talent
ihn dort zuerst bekannt machte, so wie denn
überhaupt in den achtziger und Anfang der neun-
ziger Jahre das Berliner Theater so zusammen-
gesetzt war, daß sich schwerlich wieder so viele
ausgezeichnete Talente vereinigen werden. Fleck
stand in dieser Reihe oben an, dessen ergreifen-

des

Zweite Abtheilung.
vorherrſchen mußte, wie ihm auch der Anſtand
bei Theaterreden nie ganz gelang, dagegen das
Edle ſo ſein Weſen war, daß Koͤnige von ihm
wandeln, ſtehn und ſitzen lernen konnten.

So ein ungeheures Weſen waͤre mir laͤſtig
geworden, fiel Auguſte ein; hat er denn nie ge-
woͤhnliche, buͤrgerliche Menſchen dargeſtellt?

Viele, antwortete Lothar, es war eine Zeit,
wo er faſt taͤglich ſpielte, und man ihn in bedeu-
tenden und unbedeutenden, ihm paſſenden und un-
paſſenden Perſonen ſah. Die ſogenannten Cha-
rakter-Rollen, jene zuͤrnenden, eigenſinnigen Vaͤ-
ter, die alten Militairs, viele unbeſtimmte Buͤr-
germeiſter und wohlthuende Menſchen, auch
wackre Landſchulzen und handfeſte Bauern gab
er tuͤchtig, edel und brav, und miſchte ihnen
einen Humor bei, der ſie hoͤchſt liebenswuͤrdig
machte. Von den ruͤhrenden Figuren war der
Oberfoͤrſter in den Jaͤgern eine ſeiner ſchoͤnſten,
launigſten und tiefſten Darſtellungen. Kotzebue
konnte ſich gluͤcklich ſchaͤtzen, daß dieſes Talent
ihn dort zuerſt bekannt machte, ſo wie denn
uͤberhaupt in den achtziger und Anfang der neun-
ziger Jahre das Berliner Theater ſo zuſammen-
geſetzt war, daß ſich ſchwerlich wieder ſo viele
ausgezeichnete Talente vereinigen werden. Fleck
ſtand in dieſer Reihe oben an, deſſen ergreifen-

des
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[512/0522] Zweite Abtheilung. vorherrſchen mußte, wie ihm auch der Anſtand bei Theaterreden nie ganz gelang, dagegen das Edle ſo ſein Weſen war, daß Koͤnige von ihm wandeln, ſtehn und ſitzen lernen konnten. So ein ungeheures Weſen waͤre mir laͤſtig geworden, fiel Auguſte ein; hat er denn nie ge- woͤhnliche, buͤrgerliche Menſchen dargeſtellt? Viele, antwortete Lothar, es war eine Zeit, wo er faſt taͤglich ſpielte, und man ihn in bedeu- tenden und unbedeutenden, ihm paſſenden und un- paſſenden Perſonen ſah. Die ſogenannten Cha- rakter-Rollen, jene zuͤrnenden, eigenſinnigen Vaͤ- ter, die alten Militairs, viele unbeſtimmte Buͤr- germeiſter und wohlthuende Menſchen, auch wackre Landſchulzen und handfeſte Bauern gab er tuͤchtig, edel und brav, und miſchte ihnen einen Humor bei, der ſie hoͤchſt liebenswuͤrdig machte. Von den ruͤhrenden Figuren war der Oberfoͤrſter in den Jaͤgern eine ſeiner ſchoͤnſten, launigſten und tiefſten Darſtellungen. Kotzebue konnte ſich gluͤcklich ſchaͤtzen, daß dieſes Talent ihn dort zuerſt bekannt machte, ſo wie denn uͤberhaupt in den achtziger und Anfang der neun- ziger Jahre das Berliner Theater ſo zuſammen- geſetzt war, daß ſich ſchwerlich wieder ſo viele ausgezeichnete Talente vereinigen werden. Fleck ſtand in dieſer Reihe oben an, deſſen ergreifen- des

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/522>, abgerufen am 02.05.2024.