Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Fortunat. Agrippina. Ihr schlägt die Augen nieder, edler Ritter, Oft trifft mein Blick in Euren Blick des Mißtrauns, Ihr meidet meine Gegenwart, warum? Andalosia. Muß ich vor Euch nicht mit Beschämung stehn, Mir stets bewußt, wie tief ich euch verletzt? So wie ein Morgentraum fiel von der Seele Die irre Blendung, und ich fühle klar, Wie tief ich mich und Euren Werth verkannt; Nun peinigt mich die Sorge, Euer Herz Verachte mich, da mich die stille Ahndung Oft überschleicht, ich müßte mich verachten; Dann ruft mein Genius: Wie? dieses Bild, Vermochtest Du mit Rache zu verfolgen? Ihr habt verziehn, ich kann mir nicht verzeihn. Agrippina. Ich hör' Euch mit Betrübniß und mit Freude, Ich sehe nun, daß Ihr mich achten könnt. Ist Blendwerk nicht und Rausch der Jugend Zeit? Wir schmeicheln uns mit Trefflichkeit, und irren, Wir zürnen uns, und irren wiederum: Sind wir wahrhaft erwacht, so sey vergessen Der wilde Fiebertraum der kranken Nacht. Drum kränke mich der Argwohn nicht, ich könne In Rache, die nur kleinen Seelen ziemt, Euch selbst und Eures Reichthums Heimlichkeit Verrathen Euren Feinden. Andalosia. Das ists nicht, Was stets mein Herz mit Sorg und Gram erfüllt; Daß ich vergessen konnte, was Ihr seyd Daß ich so mein Gefühl vernichten konnte. Fortunat. Agrippina. Ihr ſchlaͤgt die Augen nieder, edler Ritter, Oft trifft mein Blick in Euren Blick des Mißtrauns, Ihr meidet meine Gegenwart, warum? Andaloſia. Muß ich vor Euch nicht mit Beſchaͤmung ſtehn, Mir ſtets bewußt, wie tief ich euch verletzt? So wie ein Morgentraum fiel von der Seele Die irre Blendung, und ich fuͤhle klar, Wie tief ich mich und Euren Werth verkannt; Nun peinigt mich die Sorge, Euer Herz Verachte mich, da mich die ſtille Ahndung Oft uͤberſchleicht, ich muͤßte mich verachten; Dann ruft mein Genius: Wie? dieſes Bild, Vermochteſt Du mit Rache zu verfolgen? Ihr habt verziehn, ich kann mir nicht verzeihn. Agrippina. Ich hoͤr' Euch mit Betruͤbniß und mit Freude, Ich ſehe nun, daß Ihr mich achten koͤnnt. Iſt Blendwerk nicht und Rauſch der Jugend Zeit? Wir ſchmeicheln uns mit Trefflichkeit, und irren, Wir zuͤrnen uns, und irren wiederum: Sind wir wahrhaft erwacht, ſo ſey vergeſſen Der wilde Fiebertraum der kranken Nacht. Drum kraͤnke mich der Argwohn nicht, ich koͤnne In Rache, die nur kleinen Seelen ziemt, Euch ſelbſt und Eures Reichthums Heimlichkeit Verrathen Euren Feinden. Andaloſia. Das iſts nicht, Was ſtets mein Herz mit Sorg und Gram erfuͤllt; Daß ich vergeſſen konnte, was Ihr ſeyd Daß ich ſo mein Gefuͤhl vernichten konnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0477" n="467"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/> <sp who="#Agrippina"> <speaker><hi rendition="#g">Agrippina</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr ſchlaͤgt die Augen nieder, edler Ritter,<lb/> Oft trifft mein Blick in Euren Blick des Mißtrauns,<lb/> Ihr meidet meine Gegenwart, warum?</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker><lb/> <p>Muß ich vor Euch nicht mit Beſchaͤmung ſtehn,<lb/> Mir ſtets bewußt, wie tief ich euch verletzt?<lb/> So wie ein Morgentraum fiel von der Seele<lb/> Die irre Blendung, und ich fuͤhle klar,<lb/> Wie tief ich mich und Euren Werth verkannt;<lb/> Nun peinigt mich die Sorge, Euer Herz<lb/> Verachte mich, da mich die ſtille Ahndung<lb/> Oft uͤberſchleicht, ich muͤßte mich verachten;<lb/> Dann ruft mein Genius: Wie? dieſes Bild,<lb/> Vermochteſt Du mit Rache zu verfolgen?<lb/> Ihr habt verziehn, ich kann mir nicht verzeihn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Agrippina"> <speaker><hi rendition="#g">Agrippina</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich hoͤr' Euch mit Betruͤbniß und mit Freude,<lb/> Ich ſehe nun, daß Ihr mich achten koͤnnt.<lb/> Iſt Blendwerk nicht und Rauſch der Jugend Zeit?<lb/> Wir ſchmeicheln uns mit Trefflichkeit, und irren,<lb/> Wir zuͤrnen uns, und irren wiederum:<lb/> Sind wir wahrhaft erwacht, ſo ſey vergeſſen<lb/> Der wilde Fiebertraum der kranken Nacht.<lb/> Drum kraͤnke mich der Argwohn nicht, ich koͤnne<lb/> In Rache, die nur kleinen Seelen ziemt,<lb/> Euch ſelbſt und Eures Reichthums Heimlichkeit<lb/> Verrathen Euren Feinden.</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Das iſts nicht,</hi><lb/> Was ſtets mein Herz mit Sorg und Gram erfuͤllt;<lb/> Daß ich vergeſſen konnte, was Ihr ſeyd<lb/> Daß ich ſo mein Gefuͤhl vernichten konnte.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [467/0477]
Fortunat.
Agrippina.
Ihr ſchlaͤgt die Augen nieder, edler Ritter,
Oft trifft mein Blick in Euren Blick des Mißtrauns,
Ihr meidet meine Gegenwart, warum?
Andaloſia.
Muß ich vor Euch nicht mit Beſchaͤmung ſtehn,
Mir ſtets bewußt, wie tief ich euch verletzt?
So wie ein Morgentraum fiel von der Seele
Die irre Blendung, und ich fuͤhle klar,
Wie tief ich mich und Euren Werth verkannt;
Nun peinigt mich die Sorge, Euer Herz
Verachte mich, da mich die ſtille Ahndung
Oft uͤberſchleicht, ich muͤßte mich verachten;
Dann ruft mein Genius: Wie? dieſes Bild,
Vermochteſt Du mit Rache zu verfolgen?
Ihr habt verziehn, ich kann mir nicht verzeihn.
Agrippina.
Ich hoͤr' Euch mit Betruͤbniß und mit Freude,
Ich ſehe nun, daß Ihr mich achten koͤnnt.
Iſt Blendwerk nicht und Rauſch der Jugend Zeit?
Wir ſchmeicheln uns mit Trefflichkeit, und irren,
Wir zuͤrnen uns, und irren wiederum:
Sind wir wahrhaft erwacht, ſo ſey vergeſſen
Der wilde Fiebertraum der kranken Nacht.
Drum kraͤnke mich der Argwohn nicht, ich koͤnne
In Rache, die nur kleinen Seelen ziemt,
Euch ſelbſt und Eures Reichthums Heimlichkeit
Verrathen Euren Feinden.
Andaloſia.
Das iſts nicht,
Was ſtets mein Herz mit Sorg und Gram erfuͤllt;
Daß ich vergeſſen konnte, was Ihr ſeyd
Daß ich ſo mein Gefuͤhl vernichten konnte.
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