Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Die nur der Lust, der Freundschaft, dem EntzückenGewidmet sollten seyn, mit Staatsgeschäften, Mit List und Heuchelei und Politik In bösem Trug, wie Ihr wollt, zu entweihn. Kanzler. Ihr kennt mich, gnädiger Herr, seit vielen Jahren, Daß ich zu derlei nie die Hand geboten, Zu besserm Sinn hab' ich Euch auferzogen, Und hoffe ehrenvoll wie ich gelebt Auch so in's Grab dies graue Haupt zu legen. Graf. Vergebt, mein alter Freund, doch sagt Ihr selbst, Man müsse diese günst'ge Stimmung nützen, Der Herzog denke wohl mit nächstem anders, Jetzt ist er mir gewogen wie ein Vater, Er ist gerührt, er wünscht mein Glück, und zärtlich Liebkost er mich, wie einem lieben Kinde, Da soll ich nun, indem er mir die Braut, Ihm nah verwandt, herzlich von ihm geliebt, Indem er mir mein höchstes Glück gewährt, Mit Feinheit und verstellter Lieb' erschleichen, Was er in Rührung mir schon halb entbot; Nennt Ihr das redlich, wacker, alter Herr? Kanzler. Ich nenn' es so, und Ihr seyd nur berauscht Von Eurem neuen Glück, daß in der Fülle Der Seeligkeit Ihr nicht wie sonst mit klarem Verstand erwägt, was nützlich ist und gut, Und wie der edle Mensch es mag verbinden. Hier ist von Lüge, Bosheit nicht die Rede, Nur daß Ihr die Gelegenheit ergreift Zweite Abtheilung. Die nur der Luſt, der Freundſchaft, dem EntzuͤckenGewidmet ſollten ſeyn, mit Staatsgeſchaͤften, Mit Liſt und Heuchelei und Politik In boͤſem Trug, wie Ihr wollt, zu entweihn. Kanzler. Ihr kennt mich, gnaͤdiger Herr, ſeit vielen Jahren, Daß ich zu derlei nie die Hand geboten, Zu beſſerm Sinn hab' ich Euch auferzogen, Und hoffe ehrenvoll wie ich gelebt Auch ſo in's Grab dies graue Haupt zu legen. Graf. Vergebt, mein alter Freund, doch ſagt Ihr ſelbſt, Man muͤſſe dieſe guͤnſt'ge Stimmung nuͤtzen, Der Herzog denke wohl mit naͤchſtem anders, Jetzt iſt er mir gewogen wie ein Vater, Er iſt geruͤhrt, er wuͤnſcht mein Gluͤck, und zaͤrtlich Liebkoſt er mich, wie einem lieben Kinde, Da ſoll ich nun, indem er mir die Braut, Ihm nah verwandt, herzlich von ihm geliebt, Indem er mir mein hoͤchſtes Gluͤck gewaͤhrt, Mit Feinheit und verſtellter Lieb' erſchleichen, Was er in Ruͤhrung mir ſchon halb entbot; Nennt Ihr das redlich, wacker, alter Herr? Kanzler. Ich nenn' es ſo, und Ihr ſeyd nur berauſcht Von Eurem neuen Gluͤck, daß in der Fuͤlle Der Seeligkeit Ihr nicht wie ſonſt mit klarem Verſtand erwaͤgt, was nuͤtzlich iſt und gut, Und wie der edle Menſch es mag verbinden. Hier iſt von Luͤge, Bosheit nicht die Rede, Nur daß Ihr die Gelegenheit ergreift <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#GRAF"> <p><pb facs="#f0040" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Die nur der Luſt, der Freundſchaft, dem Entzuͤcken<lb/> Gewidmet ſollten ſeyn, mit Staatsgeſchaͤften,<lb/> Mit Liſt und Heuchelei und Politik<lb/> In boͤſem Trug, wie Ihr wollt, zu entweihn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Kanzler"> <speaker><hi rendition="#g">Kanzler</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr kennt mich, gnaͤdiger Herr, ſeit vielen Jahren,<lb/> Daß ich zu derlei nie die Hand geboten,<lb/> Zu beſſerm Sinn hab' ich Euch auferzogen,<lb/> Und hoffe ehrenvoll wie ich gelebt<lb/> Auch ſo in's Grab dies graue Haupt zu legen.</p> </sp><lb/> <sp who="#GRAF"> <speaker><hi rendition="#g">Graf</hi>.</speaker><lb/> <p>Vergebt, mein alter Freund, doch ſagt Ihr ſelbſt,<lb/> Man muͤſſe dieſe guͤnſt'ge Stimmung nuͤtzen,<lb/> Der Herzog denke wohl mit naͤchſtem anders,<lb/> Jetzt iſt er mir gewogen wie ein Vater,<lb/> Er iſt geruͤhrt, er wuͤnſcht mein Gluͤck, und zaͤrtlich<lb/> Liebkoſt er mich, wie einem lieben Kinde,<lb/> Da ſoll ich nun, indem er mir die Braut,<lb/> Ihm nah verwandt, herzlich von ihm geliebt,<lb/> Indem er mir mein hoͤchſtes Gluͤck gewaͤhrt,<lb/> Mit Feinheit und verſtellter Lieb' erſchleichen,<lb/> Was er in Ruͤhrung mir ſchon halb entbot;<lb/> Nennt Ihr das redlich, wacker, alter Herr?</p> </sp><lb/> <sp who="#Kanzler"> <speaker><hi rendition="#g">Kanzler</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich nenn' es ſo, und Ihr ſeyd nur berauſcht<lb/> Von Eurem neuen Gluͤck, daß in der Fuͤlle<lb/> Der Seeligkeit Ihr nicht wie ſonſt mit klarem<lb/> Verſtand erwaͤgt, was nuͤtzlich iſt und gut,<lb/> Und wie der edle Menſch es mag verbinden.<lb/> Hier iſt von Luͤge, Bosheit nicht die Rede,<lb/> Nur daß Ihr die Gelegenheit ergreift<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0040]
Zweite Abtheilung.
Die nur der Luſt, der Freundſchaft, dem Entzuͤcken
Gewidmet ſollten ſeyn, mit Staatsgeſchaͤften,
Mit Liſt und Heuchelei und Politik
In boͤſem Trug, wie Ihr wollt, zu entweihn.
Kanzler.
Ihr kennt mich, gnaͤdiger Herr, ſeit vielen Jahren,
Daß ich zu derlei nie die Hand geboten,
Zu beſſerm Sinn hab' ich Euch auferzogen,
Und hoffe ehrenvoll wie ich gelebt
Auch ſo in's Grab dies graue Haupt zu legen.
Graf.
Vergebt, mein alter Freund, doch ſagt Ihr ſelbſt,
Man muͤſſe dieſe guͤnſt'ge Stimmung nuͤtzen,
Der Herzog denke wohl mit naͤchſtem anders,
Jetzt iſt er mir gewogen wie ein Vater,
Er iſt geruͤhrt, er wuͤnſcht mein Gluͤck, und zaͤrtlich
Liebkoſt er mich, wie einem lieben Kinde,
Da ſoll ich nun, indem er mir die Braut,
Ihm nah verwandt, herzlich von ihm geliebt,
Indem er mir mein hoͤchſtes Gluͤck gewaͤhrt,
Mit Feinheit und verſtellter Lieb' erſchleichen,
Was er in Ruͤhrung mir ſchon halb entbot;
Nennt Ihr das redlich, wacker, alter Herr?
Kanzler.
Ich nenn' es ſo, und Ihr ſeyd nur berauſcht
Von Eurem neuen Gluͤck, daß in der Fuͤlle
Der Seeligkeit Ihr nicht wie ſonſt mit klarem
Verſtand erwaͤgt, was nuͤtzlich iſt und gut,
Und wie der edle Menſch es mag verbinden.
Hier iſt von Luͤge, Bosheit nicht die Rede,
Nur daß Ihr die Gelegenheit ergreift
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |