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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Zweite Abtheilung.
Wie könnt ihr Erz und armes Holz so plagen
Euch selber quälend? Daß kein Herz erglühet,
Im liebenden Gesang zum Himmel blühet,
Aus tiefen Nächten zu den heitern Tagen.
Verschmäht Metall, verachtet Holz, verschönen
Will ich den Stand, euch Mund und Zunge leihen,
Erretten euch von Sünd' und wildem Toben,
Ihr sollt auch Gott, der euch erschaffen, loben,
Den Kirchendienst soll meine Orgel weihen,
Den Glauben stärken mit allmächt'gen Tönen.


Jungfrau bleibt sie vermählt, den Himmelsthoren
Entsteigt ein lichter Engel, ihrem Flehen
Rauscht lieblich tönend seiner Flügel Wehen,
Er singt: der Herr hat dich als sein erkohren.
Da weint sie, daß der Bräutigam verloren,
Daß er den Bronn des Lebens will verschmähen,
Kann dieser Blick, spricht er, den Engel sehen,
So sey alsbald der Götzendienst verschworen.
Sie wirft sich betend nieder: laß nicht rauben
Dies edle Herz, im Zweifel nicht erblinden!
Er sieht den Seraph, glaubt, vom Licht getroffen.
Doch fester steht des frommen Christen Hoffen,
Er hört wie alle Orgeltöne künden:
Ja, seelig sind, die nicht seh'n und doch glauben!


Am folgenden Tage war bei heiterm Wetter
die ganze Gesellschaft auf Lothars Andringen
Zweite Abtheilung.
Wie koͤnnt ihr Erz und armes Holz ſo plagen
Euch ſelber quaͤlend? Daß kein Herz ergluͤhet,
Im liebenden Geſang zum Himmel bluͤhet,
Aus tiefen Naͤchten zu den heitern Tagen.
Verſchmaͤht Metall, verachtet Holz, verſchoͤnen
Will ich den Stand, euch Mund und Zunge leihen,
Erretten euch von Suͤnd' und wildem Toben,
Ihr ſollt auch Gott, der euch erſchaffen, loben,
Den Kirchendienſt ſoll meine Orgel weihen,
Den Glauben ſtaͤrken mit allmaͤcht'gen Toͤnen.


Jungfrau bleibt ſie vermaͤhlt, den Himmelsthoren
Entſteigt ein lichter Engel, ihrem Flehen
Rauſcht lieblich toͤnend ſeiner Fluͤgel Wehen,
Er ſingt: der Herr hat dich als ſein erkohren.
Da weint ſie, daß der Braͤutigam verloren,
Daß er den Bronn des Lebens will verſchmaͤhen,
Kann dieſer Blick, ſpricht er, den Engel ſehen,
So ſey alsbald der Goͤtzendienſt verſchworen.
Sie wirft ſich betend nieder: laß nicht rauben
Dies edle Herz, im Zweifel nicht erblinden!
Er ſieht den Seraph, glaubt, vom Licht getroffen.
Doch feſter ſteht des frommen Chriſten Hoffen,
Er hoͤrt wie alle Orgeltoͤne kuͤnden:
Ja, ſeelig ſind, die nicht ſeh'n und doch glauben!


Am folgenden Tage war bei heiterm Wetter
die ganze Geſellſchaft auf Lothars Andringen
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[231/0241] Zweite Abtheilung. Wie koͤnnt ihr Erz und armes Holz ſo plagen Euch ſelber quaͤlend? Daß kein Herz ergluͤhet, Im liebenden Geſang zum Himmel bluͤhet, Aus tiefen Naͤchten zu den heitern Tagen. Verſchmaͤht Metall, verachtet Holz, verſchoͤnen Will ich den Stand, euch Mund und Zunge leihen, Erretten euch von Suͤnd' und wildem Toben, Ihr ſollt auch Gott, der euch erſchaffen, loben, Den Kirchendienſt ſoll meine Orgel weihen, Den Glauben ſtaͤrken mit allmaͤcht'gen Toͤnen. Jungfrau bleibt ſie vermaͤhlt, den Himmelsthoren Entſteigt ein lichter Engel, ihrem Flehen Rauſcht lieblich toͤnend ſeiner Fluͤgel Wehen, Er ſingt: der Herr hat dich als ſein erkohren. Da weint ſie, daß der Braͤutigam verloren, Daß er den Bronn des Lebens will verſchmaͤhen, Kann dieſer Blick, ſpricht er, den Engel ſehen, So ſey alsbald der Goͤtzendienſt verſchworen. Sie wirft ſich betend nieder: laß nicht rauben Dies edle Herz, im Zweifel nicht erblinden! Er ſieht den Seraph, glaubt, vom Licht getroffen. Doch feſter ſteht des frommen Chriſten Hoffen, Er hoͤrt wie alle Orgeltoͤne kuͤnden: Ja, ſeelig ſind, die nicht ſeh'n und doch glauben! Am folgenden Tage war bei heiterm Wetter die ganze Geſellſchaft auf Lothars Andringen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/241>, abgerufen am 04.05.2024.