Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Auf die Wiese geht die Mutter, Weidet selbst die braune Kuh, Nimmt das Söhnlein mit ins Freie, In die grünende Natur. Sommer war, und schöne Blumeit Prangten schimmernd auf der Flur, Und sie nimmt den hänfnen Faden, Bindet an der Distel Schmuck Ihren Knaben, daß kein Wind, kein Bienlein ihn von dannen trug, Lustig spielt er um die Distel, Weidend naht die braune Kuh, Unversehens frißt dieselbe Distel, Faden, ihn dazu, Merkt nicht, daß sie mit dem Grase Ihren künftgen Herrn verschluckt. Und die Mutter kommt zurücke, Wie sie nach dem Jüngling sucht, Findet sie die Stätte nicht mehr, Und sie schlägt sich Haupt und Brust. Er erhört ihr lautes Klagen, Ruft ihr tröstend "Mutter" zu. Ei wo bist du, Liebchen? "Mutter Ich bin in der braunen Kuh." Und die Kuh, des ungewöhnet, Wie er springet, lauter ruft, Geht mit ihm zu Wald in Aengsten. Aufzufahn ihr liebstes Gut Folgt die Mutter; sieh, da fällt er, Sie hebt ihm vom Gras, der Schurz Hüllt ihn ein, zu Hause sauber Sie den Knaben wieder wusch Else.
Zweite Abtheilung. Auf die Wieſe geht die Mutter, Weidet ſelbſt die braune Kuh, Nimmt das Soͤhnlein mit ins Freie, In die gruͤnende Natur. Sommer war, und ſchoͤne Blumeit Prangten ſchimmernd auf der Flur, Und ſie nimmt den haͤnfnen Faden, Bindet an der Diſtel Schmuck Ihren Knaben, daß kein Wind, kein Bienlein ihn von dannen trug, Luſtig ſpielt er um die Diſtel, Weidend naht die braune Kuh, Unverſehens frißt dieſelbe Diſtel, Faden, ihn dazu, Merkt nicht, daß ſie mit dem Graſe Ihren kuͤnftgen Herrn verſchluckt. Und die Mutter kommt zuruͤcke, Wie ſie nach dem Juͤngling ſucht, Findet ſie die Staͤtte nicht mehr, Und ſie ſchlaͤgt ſich Haupt und Bruſt. Er erhoͤrt ihr lautes Klagen, Ruft ihr troͤſtend „Mutter“ zu. Ei wo biſt du, Liebchen? „Mutter Ich bin in der braunen Kuh.“ Und die Kuh, des ungewoͤhnet, Wie er ſpringet, lauter ruft, Geht mit ihm zu Wald in Aengſten. Aufzufahn ihr liebſtes Gut Folgt die Mutter; ſieh, da faͤllt er, Sie hebt ihm vom Gras, der Schurz Huͤllt ihn ein, zu Hauſe ſauber Sie den Knaben wieder wuſch Elſe.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#ART"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0553" n="544"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <lg n="7"> <l>Auf die Wieſe geht die Mutter,</l><lb/> <l>Weidet ſelbſt die braune Kuh,</l><lb/> <l>Nimmt das Soͤhnlein mit ins Freie,</l><lb/> <l>In die gruͤnende Natur.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Sommer war, und ſchoͤne Blumeit</l><lb/> <l>Prangten ſchimmernd auf der Flur,</l><lb/> <l>Und ſie nimmt den haͤnfnen Faden,</l><lb/> <l>Bindet an der Diſtel Schmuck</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ihren Knaben, daß kein Wind, kein</l><lb/> <l>Bienlein ihn von dannen trug,</l><lb/> <l>Luſtig ſpielt er um die Diſtel,</l><lb/> <l>Weidend naht die braune Kuh,</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Unverſehens frißt dieſelbe</l><lb/> <l>Diſtel, Faden, ihn dazu,</l><lb/> <l>Merkt nicht, daß ſie mit dem Graſe</l><lb/> <l>Ihren kuͤnftgen Herrn verſchluckt.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Und die Mutter kommt zuruͤcke,</l><lb/> <l>Wie ſie nach dem Juͤngling ſucht,</l><lb/> <l>Findet ſie die Staͤtte nicht mehr,</l><lb/> <l>Und ſie ſchlaͤgt ſich Haupt und Bruſt.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Er erhoͤrt ihr lautes Klagen,</l><lb/> <l>Ruft ihr troͤſtend „Mutter“ zu.</l><lb/> <l>Ei wo biſt du, Liebchen? „Mutter</l><lb/> <l>Ich bin in der braunen Kuh.“</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Und die Kuh, des ungewoͤhnet,</l><lb/> <l>Wie er ſpringet, lauter ruft,</l><lb/> <l>Geht mit ihm zu Wald in Aengſten.</l><lb/> <l>Aufzufahn ihr liebſtes Gut</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Folgt die Mutter; ſieh, da faͤllt er,</l><lb/> <l>Sie hebt ihm vom Gras, der Schurz</l><lb/> <l>Huͤllt ihn ein, zu Hauſe ſauber</l><lb/> <l>Sie den Knaben wieder wuſch</l> </lg> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Elſe.</fw> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [544/0553]
Zweite Abtheilung.
Auf die Wieſe geht die Mutter,
Weidet ſelbſt die braune Kuh,
Nimmt das Soͤhnlein mit ins Freie,
In die gruͤnende Natur.
Sommer war, und ſchoͤne Blumeit
Prangten ſchimmernd auf der Flur,
Und ſie nimmt den haͤnfnen Faden,
Bindet an der Diſtel Schmuck
Ihren Knaben, daß kein Wind, kein
Bienlein ihn von dannen trug,
Luſtig ſpielt er um die Diſtel,
Weidend naht die braune Kuh,
Unverſehens frißt dieſelbe
Diſtel, Faden, ihn dazu,
Merkt nicht, daß ſie mit dem Graſe
Ihren kuͤnftgen Herrn verſchluckt.
Und die Mutter kommt zuruͤcke,
Wie ſie nach dem Juͤngling ſucht,
Findet ſie die Staͤtte nicht mehr,
Und ſie ſchlaͤgt ſich Haupt und Bruſt.
Er erhoͤrt ihr lautes Klagen,
Ruft ihr troͤſtend „Mutter“ zu.
Ei wo biſt du, Liebchen? „Mutter
Ich bin in der braunen Kuh.“
Und die Kuh, des ungewoͤhnet,
Wie er ſpringet, lauter ruft,
Geht mit ihm zu Wald in Aengſten.
Aufzufahn ihr liebſtes Gut
Folgt die Mutter; ſieh, da faͤllt er,
Sie hebt ihm vom Gras, der Schurz
Huͤllt ihn ein, zu Hauſe ſauber
Sie den Knaben wieder wuſch
Elſe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/553 |
Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/553>, abgerufen am 27.07.2024. |