Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Däumchen.
Peter. Wir wollen ihm nicht folgen, wir
wollen hier bei dem Hammelbraten bleiben, das ist
das beste Inviehduum.
Semmelziege.
Der Spruch entfließe sonnenklar den Lippen dann,
Daß der Bericht euch zwingend zum Verständniß

sey.
Asträa flog, so sagen uns die Dichter, längst
Zum Himmel auf, verschmähend groß der Erde
Wust,

Da thront sie nun, schaut weinend zur Verwü-
stung her:

Doch wir, entehrt durch Sündenschlamms Gott-
losigkeit,

Sind durch der Buße, durch der Reue Thränen-
salz,

Durch großer That Beförderung und Edelsinn,
Am meisten doch dem Schwächeren ein Helfer seyn,
Gewürdiget, zum Himmel wieder aufzuschaun;
Entartet doch, nicht anerkannt vom Grabe, das
Uns Mutter auch, gebiert zuerst, Tellus genannt,
Sind jene, die den Schwächeren gern stoßen hin,
Mit Spott und Hohn den Dürftigen nur speisen
stets:

Wie nenn ich erst der Frevier Aergste, welche gar
Durch scharfen Zahnes und der Kiefer Wechselthat,
Ein fremdes Ich verähnlichen zum eignen Selbst,
Was nur Kyklopen Lestrigonen-Brut geziemt?
Malwina. Jetzt habe ich Sie selber kaum
verstanden.

Daͤumchen.
Peter. Wir wollen ihm nicht folgen, wir
wollen hier bei dem Hammelbraten bleiben, das iſt
das beſte Inviehduum.
Semmelziege.
Der Spruch entfließe ſonnenklar den Lippen dann,
Daß der Bericht euch zwingend zum Verſtaͤndniß

ſey.
Aſtraͤa flog, ſo ſagen uns die Dichter, laͤngſt
Zum Himmel auf, verſchmaͤhend groß der Erde
Wuſt,

Da thront ſie nun, ſchaut weinend zur Verwuͤ-
ſtung her:

Doch wir, entehrt durch Suͤndenſchlamms Gott-
loſigkeit,

Sind durch der Buße, durch der Reue Thraͤnen-
ſalz,

Durch großer That Befoͤrderung und Edelſinn,
Am meiſten doch dem Schwaͤcheren ein Helfer ſeyn,
Gewuͤrdiget, zum Himmel wieder aufzuſchaun;
Entartet doch, nicht anerkannt vom Grabe, das
Uns Mutter auch, gebiert zuerſt, Tellus genannt,
Sind jene, die den Schwaͤcheren gern ſtoßen hin,
Mit Spott und Hohn den Duͤrftigen nur ſpeiſen
ſtets:

Wie nenn ich erſt der Frevier Aergſte, welche gar
Durch ſcharfen Zahnes und der Kiefer Wechſelthat,
Ein fremdes Ich veraͤhnlichen zum eignen Selbſt,
Was nur Kyklopen Leſtrigonen-Brut geziemt?
Malwina. Jetzt habe ich Sie ſelber kaum
verſtanden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0508" n="499"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Da&#x0364;umchen</hi>.</fw><lb/>
              <sp who="#PET">
                <speaker><hi rendition="#g">Peter</hi>.</speaker>
                <p>Wir wollen ihm nicht folgen, wir<lb/>
wollen hier bei dem Hammelbraten bleiben, das i&#x017F;t<lb/>
das be&#x017F;te Inviehduum.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#SEM">
                <speaker><hi rendition="#g">Semmelziege</hi>.</speaker><lb/>
                <p>Der Spruch entfließe &#x017F;onnenklar den Lippen dann,<lb/>
Daß der Bericht euch zwingend zum Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß</p><lb/>
                <p> <hi rendition="#et">&#x017F;ey.</hi> </p><lb/>
                <p>A&#x017F;tra&#x0364;a flog, &#x017F;o &#x017F;agen uns die Dichter, la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
Zum Himmel auf, ver&#x017F;chma&#x0364;hend groß der Erde<lb/><hi rendition="#et">Wu&#x017F;t,</hi></p><lb/>
                <p>Da thront &#x017F;ie nun, &#x017F;chaut weinend zur Verwu&#x0364;-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tung her:</hi></p><lb/>
                <p>Doch wir, entehrt durch Su&#x0364;nden&#x017F;chlamms Gott-<lb/><hi rendition="#et">lo&#x017F;igkeit,</hi></p><lb/>
                <p>Sind durch der Buße, durch der Reue Thra&#x0364;nen-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;alz,</hi></p><lb/>
                <p>Durch großer That Befo&#x0364;rderung und Edel&#x017F;inn,<lb/>
Am mei&#x017F;ten doch dem Schwa&#x0364;cheren ein Helfer &#x017F;eyn,<lb/>
Gewu&#x0364;rdiget, zum Himmel wieder aufzu&#x017F;chaun;<lb/>
Entartet doch, nicht anerkannt vom Grabe, das<lb/>
Uns Mutter auch, gebiert zuer&#x017F;t, Tellus genannt,<lb/>
Sind jene, die den Schwa&#x0364;cheren gern &#x017F;toßen hin,<lb/>
Mit Spott und Hohn den Du&#x0364;rftigen nur &#x017F;pei&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tets:</hi></p><lb/>
                <p>Wie nenn ich er&#x017F;t der Frevier Aerg&#x017F;te, welche gar<lb/>
Durch &#x017F;charfen Zahnes und der Kiefer Wech&#x017F;elthat,<lb/>
Ein fremdes Ich vera&#x0364;hnlichen zum eignen Selb&#x017F;t,<lb/>
Was nur Kyklopen Le&#x017F;trigonen-Brut geziemt?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#MAL">
                <speaker><hi rendition="#g">Malwina</hi>.</speaker>
                <p>Jetzt habe ich Sie &#x017F;elber kaum<lb/>
ver&#x017F;tanden.</p>
              </sp><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[499/0508] Daͤumchen. Peter. Wir wollen ihm nicht folgen, wir wollen hier bei dem Hammelbraten bleiben, das iſt das beſte Inviehduum. Semmelziege. Der Spruch entfließe ſonnenklar den Lippen dann, Daß der Bericht euch zwingend zum Verſtaͤndniß ſey. Aſtraͤa flog, ſo ſagen uns die Dichter, laͤngſt Zum Himmel auf, verſchmaͤhend groß der Erde Wuſt, Da thront ſie nun, ſchaut weinend zur Verwuͤ- ſtung her: Doch wir, entehrt durch Suͤndenſchlamms Gott- loſigkeit, Sind durch der Buße, durch der Reue Thraͤnen- ſalz, Durch großer That Befoͤrderung und Edelſinn, Am meiſten doch dem Schwaͤcheren ein Helfer ſeyn, Gewuͤrdiget, zum Himmel wieder aufzuſchaun; Entartet doch, nicht anerkannt vom Grabe, das Uns Mutter auch, gebiert zuerſt, Tellus genannt, Sind jene, die den Schwaͤcheren gern ſtoßen hin, Mit Spott und Hohn den Duͤrftigen nur ſpeiſen ſtets: Wie nenn ich erſt der Frevier Aergſte, welche gar Durch ſcharfen Zahnes und der Kiefer Wechſelthat, Ein fremdes Ich veraͤhnlichen zum eignen Selbſt, Was nur Kyklopen Leſtrigonen-Brut geziemt? Malwina. Jetzt habe ich Sie ſelber kaum verſtanden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/508
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/508>, abgerufen am 20.05.2024.