Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. machen wollen, rief er aus, und entfernte denEindringenden mit Gewalt. Diese Worte und dieser Vorfall erschütterten mich, kann ich wohl sagen, bis ins Innerste. Ich zitterte und wußte nicht, was ich thun sollte. Ich sah das Schau- spiel nur mit halbem Herzen und war wirklich froh, als es zu Ende ging. Beim Schluß machte ich mich an den Alten und drückte ihm das Bil- let mit der Bitte in die Hand, es nicht übel zu nehmen, daß ich es ihm nicht früher gege- ben, da er mich übersehen hätte. Behalten Sie nur, Kleiner, sagte der Alte, pfiffig lächelnd, ich weiß recht gut, daß Sie das Billet schon seit lange haben, aber Sie sind ein stilles Kind, dem die Comödien, wie ich sehe, große Freude ma- chen; nur das kann ich nicht leiden, wenn man mich dumm zu machen sucht, der große Bengel hätte mich ja bitten können, wenn es ihm am Gelde mangelte, auf einen mehr oder weniger kömmt es hier nicht an. Ich dankte ihm und ging nach Hause. Aber von diesem Augenblick war die eigentliche höchste Lust an der Heimlich- keit des Theaters verschwunden; was ich vorher für den seltsamsten Zufall, ja für eine Art von Wunder gehalten hatte, das meinem Enthusias- mus entgegen komme, war nun nichts, als die Gefälligkeit eines Thürstehers, zu der er mir nicht einmal ein Recht zu haben schien: eine Theilnahme für den unbemittelten Zustand man- cher Theaterfreunde. Mein Billet war nur ein Zweite Abtheilung. machen wollen, rief er aus, und entfernte denEindringenden mit Gewalt. Dieſe Worte und dieſer Vorfall erſchuͤtterten mich, kann ich wohl ſagen, bis ins Innerſte. Ich zitterte und wußte nicht, was ich thun ſollte. Ich ſah das Schau- ſpiel nur mit halbem Herzen und war wirklich froh, als es zu Ende ging. Beim Schluß machte ich mich an den Alten und druͤckte ihm das Bil- let mit der Bitte in die Hand, es nicht uͤbel zu nehmen, daß ich es ihm nicht fruͤher gege- ben, da er mich uͤberſehen haͤtte. Behalten Sie nur, Kleiner, ſagte der Alte, pfiffig laͤchelnd, ich weiß recht gut, daß Sie das Billet ſchon ſeit lange haben, aber Sie ſind ein ſtilles Kind, dem die Comoͤdien, wie ich ſehe, große Freude ma- chen; nur das kann ich nicht leiden, wenn man mich dumm zu machen ſucht, der große Bengel haͤtte mich ja bitten koͤnnen, wenn es ihm am Gelde mangelte, auf einen mehr oder weniger koͤmmt es hier nicht an. Ich dankte ihm und ging nach Hauſe. Aber von dieſem Augenblick war die eigentliche hoͤchſte Luſt an der Heimlich- keit des Theaters verſchwunden; was ich vorher fuͤr den ſeltſamſten Zufall, ja fuͤr eine Art von Wunder gehalten hatte, das meinem Enthuſias- mus entgegen komme, war nun nichts, als die Gefaͤlligkeit eines Thuͤrſtehers, zu der er mir nicht einmal ein Recht zu haben ſchien: eine Theilnahme fuͤr den unbemittelten Zuſtand man- cher Theaterfreunde. Mein Billet war nur ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0415" n="406"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> machen wollen, rief er aus, und entfernte den<lb/> Eindringenden mit Gewalt. Dieſe Worte und<lb/> dieſer Vorfall erſchuͤtterten mich, kann ich wohl<lb/> ſagen, bis ins Innerſte. Ich zitterte und wußte<lb/> nicht, was ich thun ſollte. Ich ſah das Schau-<lb/> ſpiel nur mit halbem Herzen und war wirklich<lb/> froh, als es zu Ende ging. Beim Schluß machte<lb/> ich mich an den Alten und druͤckte ihm das Bil-<lb/> let mit der Bitte in die Hand, es nicht uͤbel<lb/> zu nehmen, daß ich es ihm nicht fruͤher gege-<lb/> ben, da er mich uͤberſehen haͤtte. Behalten Sie<lb/> nur, Kleiner, ſagte der Alte, pfiffig laͤchelnd, ich<lb/> weiß recht gut, daß Sie das Billet ſchon ſeit<lb/> lange haben, aber Sie ſind ein ſtilles Kind, dem<lb/> die Comoͤdien, wie ich ſehe, große Freude ma-<lb/> chen; nur das kann ich nicht leiden, wenn man<lb/> mich dumm zu machen ſucht, der große Bengel<lb/> haͤtte mich ja bitten koͤnnen, wenn es ihm am<lb/> Gelde mangelte, auf einen mehr oder weniger<lb/> koͤmmt es hier nicht an. Ich dankte ihm und<lb/> ging nach Hauſe. Aber von dieſem Augenblick<lb/> war die eigentliche hoͤchſte Luſt an der Heimlich-<lb/> keit des Theaters verſchwunden; was ich vorher<lb/> fuͤr den ſeltſamſten Zufall, ja fuͤr eine Art von<lb/> Wunder gehalten hatte, das meinem Enthuſias-<lb/> mus entgegen komme, war nun nichts, als die<lb/> Gefaͤlligkeit eines Thuͤrſtehers, zu der er mir<lb/> nicht einmal ein Recht zu haben ſchien: eine<lb/> Theilnahme fuͤr den unbemittelten Zuſtand man-<lb/> cher Theaterfreunde. Mein Billet war nur ein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [406/0415]
Zweite Abtheilung.
machen wollen, rief er aus, und entfernte den
Eindringenden mit Gewalt. Dieſe Worte und
dieſer Vorfall erſchuͤtterten mich, kann ich wohl
ſagen, bis ins Innerſte. Ich zitterte und wußte
nicht, was ich thun ſollte. Ich ſah das Schau-
ſpiel nur mit halbem Herzen und war wirklich
froh, als es zu Ende ging. Beim Schluß machte
ich mich an den Alten und druͤckte ihm das Bil-
let mit der Bitte in die Hand, es nicht uͤbel
zu nehmen, daß ich es ihm nicht fruͤher gege-
ben, da er mich uͤberſehen haͤtte. Behalten Sie
nur, Kleiner, ſagte der Alte, pfiffig laͤchelnd, ich
weiß recht gut, daß Sie das Billet ſchon ſeit
lange haben, aber Sie ſind ein ſtilles Kind, dem
die Comoͤdien, wie ich ſehe, große Freude ma-
chen; nur das kann ich nicht leiden, wenn man
mich dumm zu machen ſucht, der große Bengel
haͤtte mich ja bitten koͤnnen, wenn es ihm am
Gelde mangelte, auf einen mehr oder weniger
koͤmmt es hier nicht an. Ich dankte ihm und
ging nach Hauſe. Aber von dieſem Augenblick
war die eigentliche hoͤchſte Luſt an der Heimlich-
keit des Theaters verſchwunden; was ich vorher
fuͤr den ſeltſamſten Zufall, ja fuͤr eine Art von
Wunder gehalten hatte, das meinem Enthuſias-
mus entgegen komme, war nun nichts, als die
Gefaͤlligkeit eines Thuͤrſtehers, zu der er mir
nicht einmal ein Recht zu haben ſchien: eine
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cher Theaterfreunde. Mein Billet war nur ein
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