Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. mir unter den schlechten Schauspielern ein nochschlechterer um, der hier eine Nebenrolle spielte, und, wie er mir, seinem hohen Gönner erzählte, (denn so nannte er mich) sich sehr geehrt fühlte, in dieser ansehnlichen Truppe aufgenommen zu seyn. Ich hatte ihn einige mal in der Schenke eines Dorfes ex tempore spielen sehn, wo er be- sonders einmal den Teufel trefflich agirt hatte; der Mensch war mehr zum Erbarmen als zum La- chen. Bald nahm ich wahr, daß nur eine schlechte Ordnung beobachtet wurde, denn von den letzten Plätzen rutschten und krochen die Zu- schauer unvermerkt in den zweiten Rang, und als sie sahen, das dies geduldet, oder nicht be- achtet wurde, verfügten sie sich leise in den er- sten, bis ein verwegner Handwerksgesell frech und öffentlich in das sogenannte Parket stieg, indem er rief: Dummheiten! Geld ist Geld und Platz ist Platz! Ihm folgten hierauf seine Came- raden mit derselben Unbefangenheit, die er noch mit dem Zuruf ermunterte, daß er diese Gewohn- heit beobachtet habe, so oft es sich nur thulich gefunden. Diese Verletzung der Ordnung that mir schon weh, aber noch verdrüßlicher ward ich, als dieselben Bursche, um das Schauspiel noch näher zu haben, in die Bühne selbst hin- ein sprangen, und sich bei dem Soufleur, vor den Zelten, auf das Proscenium lachend und trinkend lagerten. Nun wurde Graf Waltron aufmerksam und verlegen, er kam mit der Bitte Zweite Abtheilung. mir unter den ſchlechten Schauſpielern ein nochſchlechterer um, der hier eine Nebenrolle ſpielte, und, wie er mir, ſeinem hohen Goͤnner erzaͤhlte, (denn ſo nannte er mich) ſich ſehr geehrt fuͤhlte, in dieſer anſehnlichen Truppe aufgenommen zu ſeyn. Ich hatte ihn einige mal in der Schenke eines Dorfes ex tempore ſpielen ſehn, wo er be- ſonders einmal den Teufel trefflich agirt hatte; der Menſch war mehr zum Erbarmen als zum La- chen. Bald nahm ich wahr, daß nur eine ſchlechte Ordnung beobachtet wurde, denn von den letzten Plaͤtzen rutſchten und krochen die Zu- ſchauer unvermerkt in den zweiten Rang, und als ſie ſahen, das dies geduldet, oder nicht be- achtet wurde, verfuͤgten ſie ſich leiſe in den er- ſten, bis ein verwegner Handwerksgeſell frech und oͤffentlich in das ſogenannte Parket ſtieg, indem er rief: Dummheiten! Geld iſt Geld und Platz iſt Platz! Ihm folgten hierauf ſeine Came- raden mit derſelben Unbefangenheit, die er noch mit dem Zuruf ermunterte, daß er dieſe Gewohn- heit beobachtet habe, ſo oft es ſich nur thulich gefunden. Dieſe Verletzung der Ordnung that mir ſchon weh, aber noch verdruͤßlicher ward ich, als dieſelben Burſche, um das Schauſpiel noch naͤher zu haben, in die Buͤhne ſelbſt hin- ein ſprangen, und ſich bei dem Soufleur, vor den Zelten, auf das Proſcenium lachend und trinkend lagerten. Nun wurde Graf Waltron aufmerkſam und verlegen, er kam mit der Bitte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0405" n="396"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> mir unter den ſchlechten Schauſpielern ein noch<lb/> ſchlechterer um, der hier eine Nebenrolle ſpielte,<lb/> und, wie er mir, ſeinem hohen Goͤnner erzaͤhlte,<lb/> (denn ſo nannte er mich) ſich ſehr geehrt fuͤhlte,<lb/> in dieſer anſehnlichen Truppe aufgenommen zu<lb/> ſeyn. Ich hatte ihn einige mal in der Schenke<lb/> eines Dorfes <hi rendition="#aq">ex tempore</hi> ſpielen ſehn, wo er be-<lb/> ſonders einmal den Teufel trefflich agirt hatte; der<lb/> Menſch war mehr zum Erbarmen als zum La-<lb/> chen. Bald nahm ich wahr, daß nur eine<lb/> ſchlechte Ordnung beobachtet wurde, denn von<lb/> den letzten Plaͤtzen rutſchten und krochen die Zu-<lb/> ſchauer unvermerkt in den zweiten Rang, und<lb/> als ſie ſahen, das dies geduldet, oder nicht be-<lb/> achtet wurde, verfuͤgten ſie ſich leiſe in den er-<lb/> ſten, bis ein verwegner Handwerksgeſell frech<lb/> und oͤffentlich in das ſogenannte Parket ſtieg,<lb/> indem er rief: Dummheiten! Geld iſt Geld und<lb/> Platz iſt Platz! Ihm folgten hierauf ſeine Came-<lb/> raden mit derſelben Unbefangenheit, die er noch<lb/> mit dem Zuruf ermunterte, daß er dieſe Gewohn-<lb/> heit beobachtet habe, ſo oft es ſich nur thulich<lb/> gefunden. Dieſe Verletzung der Ordnung that<lb/> mir ſchon weh, aber noch verdruͤßlicher ward<lb/> ich, als dieſelben Burſche, um das Schauſpiel<lb/> noch naͤher zu haben, in die Buͤhne ſelbſt hin-<lb/> ein ſprangen, und ſich bei dem Soufleur, vor<lb/> den Zelten, auf das Proſcenium lachend und<lb/> trinkend lagerten. Nun wurde Graf Waltron<lb/> aufmerkſam und verlegen, er kam mit der Bitte<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [396/0405]
Zweite Abtheilung.
mir unter den ſchlechten Schauſpielern ein noch
ſchlechterer um, der hier eine Nebenrolle ſpielte,
und, wie er mir, ſeinem hohen Goͤnner erzaͤhlte,
(denn ſo nannte er mich) ſich ſehr geehrt fuͤhlte,
in dieſer anſehnlichen Truppe aufgenommen zu
ſeyn. Ich hatte ihn einige mal in der Schenke
eines Dorfes ex tempore ſpielen ſehn, wo er be-
ſonders einmal den Teufel trefflich agirt hatte; der
Menſch war mehr zum Erbarmen als zum La-
chen. Bald nahm ich wahr, daß nur eine
ſchlechte Ordnung beobachtet wurde, denn von
den letzten Plaͤtzen rutſchten und krochen die Zu-
ſchauer unvermerkt in den zweiten Rang, und
als ſie ſahen, das dies geduldet, oder nicht be-
achtet wurde, verfuͤgten ſie ſich leiſe in den er-
ſten, bis ein verwegner Handwerksgeſell frech
und oͤffentlich in das ſogenannte Parket ſtieg,
indem er rief: Dummheiten! Geld iſt Geld und
Platz iſt Platz! Ihm folgten hierauf ſeine Came-
raden mit derſelben Unbefangenheit, die er noch
mit dem Zuruf ermunterte, daß er dieſe Gewohn-
heit beobachtet habe, ſo oft es ſich nur thulich
gefunden. Dieſe Verletzung der Ordnung that
mir ſchon weh, aber noch verdruͤßlicher ward
ich, als dieſelben Burſche, um das Schauſpiel
noch naͤher zu haben, in die Buͤhne ſelbſt hin-
ein ſprangen, und ſich bei dem Soufleur, vor
den Zelten, auf das Proſcenium lachend und
trinkend lagerten. Nun wurde Graf Waltron
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