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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
ich diesen duftenden Wein, die anlockenden Spei-
sen und gewürzten Gespräche genieße, bin ich so
frölich und wohlgemuth, daß ich ohne Zweifel
noch nach Jahren an diesen Abend mit Freuden
zurück denken werde.

Gewiß, sagte Wilibald, kann der Schöpfer
manche seiner Creaturen mit geringen Dingen
glücklich machen.

Lassen Sie gut seyn, sagte Rosalie freund-
lich, und stören Sie unsern Enthusiasten nicht,
der auf dem Wege ist, uns noch einige komi-
sche Erinnerungen aus seiner Jugend zum Be-
sten zu geben.

Nicht bloß meine Jugend, sagte Lothar,
muß ich verklagen oder belachen, ich bin über-
zeugt, daß dieser Trieb nie in mir abgestumpft
wird. Und nicht so wohl die großen berühmten
Theater sind es, als die kleinen Winkeltruppen,
die Künstler ohne großen Ruf, welche mich an-
ziehn, von denen man zuweilen noch, aber mit
jedem Jahre seltener, Schauspiele zu sehn das
Glück hat, die längst verschollen sind, uralte
Traditionen, von denen man oft nicht begreift,
woher sie sie haben können, zuweilen recht poe-
tische Gewächse, die nur auf den Dichter war-
ten, um sie auch einem gebildeten Publikum wie-
der interessant zu machen. So sind es, um in
die Erzählung einzulenken, noch nicht viele Jahre,
daß ich einer solchen Buden-Truppe wegen fast
in eine schwere Krankheit zurück gefallen wäre,

Zweite Abtheilung.
ich dieſen duftenden Wein, die anlockenden Spei-
ſen und gewuͤrzten Geſpraͤche genieße, bin ich ſo
froͤlich und wohlgemuth, daß ich ohne Zweifel
noch nach Jahren an dieſen Abend mit Freuden
zuruͤck denken werde.

Gewiß, ſagte Wilibald, kann der Schoͤpfer
manche ſeiner Creaturen mit geringen Dingen
gluͤcklich machen.

Laſſen Sie gut ſeyn, ſagte Roſalie freund-
lich, und ſtoͤren Sie unſern Enthuſiaſten nicht,
der auf dem Wege iſt, uns noch einige komi-
ſche Erinnerungen aus ſeiner Jugend zum Be-
ſten zu geben.

Nicht bloß meine Jugend, ſagte Lothar,
muß ich verklagen oder belachen, ich bin uͤber-
zeugt, daß dieſer Trieb nie in mir abgeſtumpft
wird. Und nicht ſo wohl die großen beruͤhmten
Theater ſind es, als die kleinen Winkeltruppen,
die Kuͤnſtler ohne großen Ruf, welche mich an-
ziehn, von denen man zuweilen noch, aber mit
jedem Jahre ſeltener, Schauſpiele zu ſehn das
Gluͤck hat, die laͤngſt verſchollen ſind, uralte
Traditionen, von denen man oft nicht begreift,
woher ſie ſie haben koͤnnen, zuweilen recht poe-
tiſche Gewaͤchſe, die nur auf den Dichter war-
ten, um ſie auch einem gebildeten Publikum wie-
der intereſſant zu machen. So ſind es, um in
die Erzaͤhlung einzulenken, noch nicht viele Jahre,
daß ich einer ſolchen Buden-Truppe wegen faſt
in eine ſchwere Krankheit zuruͤck gefallen waͤre,

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[389/0398] Zweite Abtheilung. ich dieſen duftenden Wein, die anlockenden Spei- ſen und gewuͤrzten Geſpraͤche genieße, bin ich ſo froͤlich und wohlgemuth, daß ich ohne Zweifel noch nach Jahren an dieſen Abend mit Freuden zuruͤck denken werde. Gewiß, ſagte Wilibald, kann der Schoͤpfer manche ſeiner Creaturen mit geringen Dingen gluͤcklich machen. Laſſen Sie gut ſeyn, ſagte Roſalie freund- lich, und ſtoͤren Sie unſern Enthuſiaſten nicht, der auf dem Wege iſt, uns noch einige komi- ſche Erinnerungen aus ſeiner Jugend zum Be- ſten zu geben. Nicht bloß meine Jugend, ſagte Lothar, muß ich verklagen oder belachen, ich bin uͤber- zeugt, daß dieſer Trieb nie in mir abgeſtumpft wird. Und nicht ſo wohl die großen beruͤhmten Theater ſind es, als die kleinen Winkeltruppen, die Kuͤnſtler ohne großen Ruf, welche mich an- ziehn, von denen man zuweilen noch, aber mit jedem Jahre ſeltener, Schauſpiele zu ſehn das Gluͤck hat, die laͤngſt verſchollen ſind, uralte Traditionen, von denen man oft nicht begreift, woher ſie ſie haben koͤnnen, zuweilen recht poe- tiſche Gewaͤchſe, die nur auf den Dichter war- ten, um ſie auch einem gebildeten Publikum wie- der intereſſant zu machen. So ſind es, um in die Erzaͤhlung einzulenken, noch nicht viele Jahre, daß ich einer ſolchen Buden-Truppe wegen faſt in eine ſchwere Krankheit zuruͤck gefallen waͤre,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/398>, abgerufen am 18.05.2024.