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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Die verkehrte Welt.
Apoll. Braucht man das zu lernen? Ihr
seid zu zahm, vertraut Euch selber, bedenkt, was
Ihr gewesen seid, und noch sein könnt, wenn Ihr
wollt. Geht, wir sehn uns bald wieder.

(Admet, Alceste ab.)
Aulicus und Myrtill.
Apoll. Was fehlt Euch? Ihr seht so ver-
drüßlich aus.
Aulicus. Hol der Henker Eure ganze Cul-
tur, sie hat uns schlechte Dienste geleistet.
Apoll. Wie so?
Aulicus. Seht uns nur an. Unsre schönen
Bärte hat man uns gänzlich weggeschnitten, wir
sind gar nicht mehr, was wir waren. Und das
ist auf Befehl unsers Königs und unsrer Schafe
geschehn.
Apoll. Warum leidet Ihr dergleichen?
Myrtill. Ja, ehemals, in unserm rohen
Zustande hätte uns einer mit solcher Anmuthung kom-
men sollen! Aber Eure verwünschte Bildung, zu
der Ihr uns verführt habt! Als es uns so was
mehr auseinander gesetzt wurde, kam es uns selber
ganz vernünftig vor. Und dann die Uebergewalt!
Apoll. Ihr hättet Euch widersetzen sollen.
Myrtill. Keiner will der erste seyn, weil
er sich vor Schaden fürchtet; man wird geschoren,
macht ein krummes Maul, und denkt hernach: nun
wars doch vorbei.
Apoll. Eure sclavische Gesinnung, nicht die
Gewalt, ist also Ursach, daß Ihr unterdrückt wer-
II. [ 23 ]
Die verkehrte Welt.
Apoll. Braucht man das zu lernen? Ihr
ſeid zu zahm, vertraut Euch ſelber, bedenkt, was
Ihr geweſen ſeid, und noch ſein koͤnnt, wenn Ihr
wollt. Geht, wir ſehn uns bald wieder.

(Admet, Alceſte ab.)
Aulicus und Myrtill.
Apoll. Was fehlt Euch? Ihr ſeht ſo ver-
druͤßlich aus.
Aulicus. Hol der Henker Eure ganze Cul-
tur, ſie hat uns ſchlechte Dienſte geleiſtet.
Apoll. Wie ſo?
Aulicus. Seht uns nur an. Unſre ſchoͤnen
Baͤrte hat man uns gaͤnzlich weggeſchnitten, wir
ſind gar nicht mehr, was wir waren. Und das
iſt auf Befehl unſers Koͤnigs und unſrer Schafe
geſchehn.
Apoll. Warum leidet Ihr dergleichen?
Myrtill. Ja, ehemals, in unſerm rohen
Zuſtande haͤtte uns einer mit ſolcher Anmuthung kom-
men ſollen! Aber Eure verwuͤnſchte Bildung, zu
der Ihr uns verfuͤhrt habt! Als es uns ſo was
mehr auseinander geſetzt wurde, kam es uns ſelber
ganz vernuͤnftig vor. Und dann die Uebergewalt!
Apoll. Ihr haͤttet Euch widerſetzen ſollen.
Myrtill. Keiner will der erſte ſeyn, weil
er ſich vor Schaden fuͤrchtet; man wird geſchoren,
macht ein krummes Maul, und denkt hernach: nun
wars doch vorbei.
Apoll. Eure ſclaviſche Geſinnung, nicht die
Gewalt, iſt alſo Urſach, daß Ihr unterdruͤckt wer-
II. [ 23 ]
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[353/0362] Die verkehrte Welt. Apoll. Braucht man das zu lernen? Ihr ſeid zu zahm, vertraut Euch ſelber, bedenkt, was Ihr geweſen ſeid, und noch ſein koͤnnt, wenn Ihr wollt. Geht, wir ſehn uns bald wieder. (Admet, Alceſte ab.) Aulicus und Myrtill. Apoll. Was fehlt Euch? Ihr ſeht ſo ver- druͤßlich aus. Aulicus. Hol der Henker Eure ganze Cul- tur, ſie hat uns ſchlechte Dienſte geleiſtet. Apoll. Wie ſo? Aulicus. Seht uns nur an. Unſre ſchoͤnen Baͤrte hat man uns gaͤnzlich weggeſchnitten, wir ſind gar nicht mehr, was wir waren. Und das iſt auf Befehl unſers Koͤnigs und unſrer Schafe geſchehn. Apoll. Warum leidet Ihr dergleichen? Myrtill. Ja, ehemals, in unſerm rohen Zuſtande haͤtte uns einer mit ſolcher Anmuthung kom- men ſollen! Aber Eure verwuͤnſchte Bildung, zu der Ihr uns verfuͤhrt habt! Als es uns ſo was mehr auseinander geſetzt wurde, kam es uns ſelber ganz vernuͤnftig vor. Und dann die Uebergewalt! Apoll. Ihr haͤttet Euch widerſetzen ſollen. Myrtill. Keiner will der erſte ſeyn, weil er ſich vor Schaden fuͤrchtet; man wird geſchoren, macht ein krummes Maul, und denkt hernach: nun wars doch vorbei. Apoll. Eure ſclaviſche Geſinnung, nicht die Gewalt, iſt alſo Urſach, daß Ihr unterdruͤckt wer- II. [ 23 ]

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/362>, abgerufen am 21.11.2024.