Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Claus. (kömmt schnell herbei gehinkt.) Ob ich hier wohl sicher bin? -- Ach, wo ist man im Felde wohl sicher? Auf wie vielen, weiten und meilen- breiten Feldern thront jetzt die Sicherheit, und ich Unseliger muß mich nun durch ein böses Schick- sal gerade hier an diesem Ort der Unsicherheit be- finden! -- Hu! was das für eine Art ist, mit einander umzugehn! -- Ist es nicht lächerlich, daß die Menschen im gewöhnlichen Leben so viele Um- stände mit einander machen, und wenn sie nun einmal die rauhe Seite heraus kehren, daß sie sich mit denselben Händen todtschlagen, mit denen sie sonst so viele Höflichkeitsgeberden veranstalten. -- Ach! das gewinnt für meine Herrschaften ein schlimmes Ansehn! So gehts, wenn man sich nicht von einem Narren will rathen lassen. So- bald der Verstand bei der Thorheit bettelt, erfolgt gewöhnlich ein gutes Almosen, denn die Thorheit giebt, ohne die Münzsorten zu besehn; wer aber bei gescheuten Leuten Hülfe sucht, bekömmt immer nur Scheidemünze. -- Ach! wie sind hier die Sen- tenzen am rechten Ort! So lange der Mensch nur noch eine Pfeffernuß zu beißen hat, wird er keine Sentenzen sprechen, wenn man aber so, wie ich jetzt, an Leib und Seele bankrott ist, so sind sie das einzige Labsal. -- Ich will mich hinter die- sen Strauch verbergen. Aber meine Narrheit scheint ganz gewiß durch, wie ein Edelstein: wenn nicht das lahme Bein wäre, würde ich fort lau- fen. -- O Himmel! sie kommen schon zurück. -- (ab.) Zweite Abtheilung. Claus. (koͤmmt ſchnell herbei gehinkt.) Ob ich hier wohl ſicher bin? — Ach, wo iſt man im Felde wohl ſicher? Auf wie vielen, weiten und meilen- breiten Feldern thront jetzt die Sicherheit, und ich Unſeliger muß mich nun durch ein boͤſes Schick- ſal gerade hier an dieſem Ort der Unſicherheit be- finden! — Hu! was das fuͤr eine Art iſt, mit einander umzugehn! — Iſt es nicht laͤcherlich, daß die Menſchen im gewoͤhnlichen Leben ſo viele Um- ſtaͤnde mit einander machen, und wenn ſie nun einmal die rauhe Seite heraus kehren, daß ſie ſich mit denſelben Haͤnden todtſchlagen, mit denen ſie ſonſt ſo viele Hoͤflichkeitsgeberden veranſtalten. — Ach! das gewinnt fuͤr meine Herrſchaften ein ſchlimmes Anſehn! So gehts, wenn man ſich nicht von einem Narren will rathen laſſen. So- bald der Verſtand bei der Thorheit bettelt, erfolgt gewoͤhnlich ein gutes Almoſen, denn die Thorheit giebt, ohne die Muͤnzſorten zu beſehn; wer aber bei geſcheuten Leuten Huͤlfe ſucht, bekoͤmmt immer nur Scheidemuͤnze. — Ach! wie ſind hier die Sen- tenzen am rechten Ort! So lange der Menſch nur noch eine Pfeffernuß zu beißen hat, wird er keine Sentenzen ſprechen, wenn man aber ſo, wie ich jetzt, an Leib und Seele bankrott iſt, ſo ſind ſie das einzige Labſal. — Ich will mich hinter die- ſen Strauch verbergen. Aber meine Narrheit ſcheint ganz gewiß durch, wie ein Edelſtein: wenn nicht das lahme Bein waͤre, wuͤrde ich fort lau- fen. — O Himmel! ſie kommen ſchon zuruͤck. — (ab.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0035" n="26"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#CLAU"> <speaker><hi rendition="#g">Claus</hi>.</speaker> <stage>(koͤmmt ſchnell herbei gehinkt.)</stage> <p>Ob ich<lb/> hier wohl ſicher bin? — Ach, wo iſt man im Felde<lb/> wohl ſicher? Auf wie vielen, weiten und meilen-<lb/> breiten Feldern thront jetzt die Sicherheit, und ich<lb/> Unſeliger muß mich nun durch ein boͤſes Schick-<lb/> ſal gerade hier an dieſem Ort der Unſicherheit be-<lb/> finden! — Hu! was das fuͤr eine Art iſt, mit<lb/> einander umzugehn! — Iſt es nicht laͤcherlich, daß<lb/> die Menſchen im gewoͤhnlichen Leben ſo viele Um-<lb/> ſtaͤnde mit einander machen, und wenn ſie nun<lb/> einmal die rauhe Seite heraus kehren, daß ſie ſich<lb/> mit denſelben Haͤnden todtſchlagen, mit denen ſie<lb/> ſonſt ſo viele Hoͤflichkeitsgeberden veranſtalten. —<lb/> Ach! das gewinnt fuͤr meine Herrſchaften ein<lb/> ſchlimmes Anſehn! So gehts, wenn man ſich<lb/> nicht von einem Narren will rathen laſſen. So-<lb/> bald der Verſtand bei der Thorheit bettelt, erfolgt<lb/> gewoͤhnlich ein gutes Almoſen, denn die Thorheit<lb/> giebt, ohne die Muͤnzſorten zu beſehn; wer aber<lb/> bei geſcheuten Leuten Huͤlfe ſucht, bekoͤmmt immer<lb/> nur Scheidemuͤnze. — Ach! wie ſind hier die Sen-<lb/> tenzen am rechten Ort! So lange der Menſch<lb/> nur noch eine Pfeffernuß zu beißen hat, wird er<lb/> keine Sentenzen ſprechen, wenn man aber ſo, wie<lb/> ich jetzt, an Leib und Seele bankrott iſt, ſo ſind<lb/> ſie das einzige Labſal. — Ich will mich hinter die-<lb/> ſen Strauch verbergen. Aber meine Narrheit<lb/> ſcheint ganz gewiß durch, wie ein Edelſtein: wenn<lb/> nicht das lahme Bein waͤre, wuͤrde ich fort lau-<lb/> fen. — O Himmel! ſie kommen ſchon zuruͤck. —</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(ab.)</hi> </stage><lb/> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0035]
Zweite Abtheilung.
Claus. (koͤmmt ſchnell herbei gehinkt.) Ob ich
hier wohl ſicher bin? — Ach, wo iſt man im Felde
wohl ſicher? Auf wie vielen, weiten und meilen-
breiten Feldern thront jetzt die Sicherheit, und ich
Unſeliger muß mich nun durch ein boͤſes Schick-
ſal gerade hier an dieſem Ort der Unſicherheit be-
finden! — Hu! was das fuͤr eine Art iſt, mit
einander umzugehn! — Iſt es nicht laͤcherlich, daß
die Menſchen im gewoͤhnlichen Leben ſo viele Um-
ſtaͤnde mit einander machen, und wenn ſie nun
einmal die rauhe Seite heraus kehren, daß ſie ſich
mit denſelben Haͤnden todtſchlagen, mit denen ſie
ſonſt ſo viele Hoͤflichkeitsgeberden veranſtalten. —
Ach! das gewinnt fuͤr meine Herrſchaften ein
ſchlimmes Anſehn! So gehts, wenn man ſich
nicht von einem Narren will rathen laſſen. So-
bald der Verſtand bei der Thorheit bettelt, erfolgt
gewoͤhnlich ein gutes Almoſen, denn die Thorheit
giebt, ohne die Muͤnzſorten zu beſehn; wer aber
bei geſcheuten Leuten Huͤlfe ſucht, bekoͤmmt immer
nur Scheidemuͤnze. — Ach! wie ſind hier die Sen-
tenzen am rechten Ort! So lange der Menſch
nur noch eine Pfeffernuß zu beißen hat, wird er
keine Sentenzen ſprechen, wenn man aber ſo, wie
ich jetzt, an Leib und Seele bankrott iſt, ſo ſind
ſie das einzige Labſal. — Ich will mich hinter die-
ſen Strauch verbergen. Aber meine Narrheit
ſcheint ganz gewiß durch, wie ein Edelſtein: wenn
nicht das lahme Bein waͤre, wuͤrde ich fort lau-
fen. — O Himmel! ſie kommen ſchon zuruͤck. —
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