Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Nun, sanft ruhe ihre Asche neben ihren fürstlichenAnverwandten! Prinzessin. Ihro Majestät erhitzen sich zu sehr. König. Wenn mir die Erinnerung davon zurück kömmt, -- o mein Kind, auf meinen Knieen möcht ich Dich beschwören, -- nimm Dich beim Verheirathen ja in Acht. -- Es ist eine große Wahrheit, daß man Leinewand und einen Bräu- tigam nicht bei Lichte kaufen müsse; eine erhabene Wahrheit, die jedes Mädchen mit goldenen Buch- staben in ihr Schlafzimmer sollte schreiben lassen. -- Was hab ich gelitten! Kein Tag verging ohne Zank, ich konnte nicht in Ruhe schlafen, ich konnte die Reichsgeschäfte nicht mit Bequemlichkeit ver- walten, ich konnte über nichts denken, ich konnte mit Verstand keine Zeitung lesen, -- bei Tische, beim besten Braten, beim gesundesten Appetit, im- mer mußte ich alles nur mit Verdruß hinunter wür- gen, so wurde gezankt, gescholten, gegrämelt, ge- brummt, gemault, gegrollt, geschmollt, gekeift, ge- bissen, gemurrt, geknurrt und geschnurrt, daß ich mir oft an der Tafel mitten unter den Gerichten den Tod gewünscht habe. -- Und doch sehnt sich mein Geist, verewigte Klotilde, jezuweilen nach Dir zurück. -- Es beißt mir in den Augen, -- ich bin ein rechter alter Narr. Prinzessin. (zärtlich.) Mein Vater. König. Ich zittre, wenn ich überhaupt an alle die Gefahren denke, die Dir bevorstehn, denn wenn Du dich nun auch wirklich verlieben solltest, Zweite Abtheilung. Nun, ſanft ruhe ihre Aſche neben ihren fuͤrſtlichenAnverwandten! Prinzeſſin. Ihro Majeſtaͤt erhitzen ſich zu ſehr. Koͤnig. Wenn mir die Erinnerung davon zuruͤck koͤmmt, — o mein Kind, auf meinen Knieen moͤcht ich Dich beſchwoͤren, — nimm Dich beim Verheirathen ja in Acht. — Es iſt eine große Wahrheit, daß man Leinewand und einen Braͤu- tigam nicht bei Lichte kaufen muͤſſe; eine erhabene Wahrheit, die jedes Maͤdchen mit goldenen Buch- ſtaben in ihr Schlafzimmer ſollte ſchreiben laſſen. — Was hab ich gelitten! Kein Tag verging ohne Zank, ich konnte nicht in Ruhe ſchlafen, ich konnte die Reichsgeſchaͤfte nicht mit Bequemlichkeit ver- walten, ich konnte uͤber nichts denken, ich konnte mit Verſtand keine Zeitung leſen, — bei Tiſche, beim beſten Braten, beim geſundeſten Appetit, im- mer mußte ich alles nur mit Verdruß hinunter wuͤr- gen, ſo wurde gezankt, geſcholten, gegraͤmelt, ge- brummt, gemault, gegrollt, geſchmollt, gekeift, ge- biſſen, gemurrt, geknurrt und geſchnurrt, daß ich mir oft an der Tafel mitten unter den Gerichten den Tod gewuͤnſcht habe. — Und doch ſehnt ſich mein Geiſt, verewigte Klotilde, jezuweilen nach Dir zuruͤck. — Es beißt mir in den Augen, — ich bin ein rechter alter Narr. Prinzeſſin. (zaͤrtlich.) Mein Vater. Koͤnig. Ich zittre, wenn ich uͤberhaupt an alle die Gefahren denke, die Dir bevorſtehn, denn wenn Du dich nun auch wirklich verlieben ſollteſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#KOENIG"> <p><pb facs="#f0175" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Nun, ſanft ruhe ihre Aſche neben ihren fuͤrſtlichen<lb/> Anverwandten!</p> </sp><lb/> <sp who="#PRINZI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſin</hi>.</speaker> <p>Ihro Majeſtaͤt erhitzen ſich<lb/> zu ſehr.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Wenn mir die Erinnerung davon<lb/> zuruͤck koͤmmt, — o mein Kind, auf meinen Knieen<lb/> moͤcht ich Dich beſchwoͤren, — nimm Dich beim<lb/> Verheirathen ja in Acht. — Es iſt eine große<lb/> Wahrheit, daß man Leinewand und einen Braͤu-<lb/> tigam nicht bei Lichte kaufen muͤſſe; eine erhabene<lb/> Wahrheit, die jedes Maͤdchen mit goldenen Buch-<lb/> ſtaben in ihr Schlafzimmer ſollte ſchreiben laſſen.<lb/> — Was hab ich gelitten! Kein Tag verging ohne<lb/> Zank, ich konnte nicht in Ruhe ſchlafen, ich konnte<lb/> die Reichsgeſchaͤfte nicht mit Bequemlichkeit ver-<lb/> walten, ich konnte uͤber nichts denken, ich konnte<lb/> mit Verſtand keine Zeitung leſen, — bei Tiſche,<lb/> beim beſten Braten, beim geſundeſten Appetit, im-<lb/> mer mußte ich alles nur mit Verdruß hinunter wuͤr-<lb/> gen, ſo wurde gezankt, geſcholten, gegraͤmelt, ge-<lb/> brummt, gemault, gegrollt, geſchmollt, gekeift, ge-<lb/> biſſen, gemurrt, geknurrt und geſchnurrt, daß ich<lb/> mir oft an der Tafel mitten unter den Gerichten<lb/> den Tod gewuͤnſcht habe. — Und doch ſehnt ſich<lb/> mein Geiſt, verewigte Klotilde, jezuweilen nach<lb/> Dir zuruͤck. — Es beißt mir in den Augen, — ich<lb/> bin ein rechter alter Narr.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRINZI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſin</hi>.</speaker> <stage>(zaͤrtlich.)</stage> <p>Mein Vater.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Ich zittre, wenn ich uͤberhaupt an<lb/> alle die Gefahren denke, die Dir bevorſtehn, denn<lb/> wenn Du dich nun auch wirklich verlieben ſollteſt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [166/0175]
Zweite Abtheilung.
Nun, ſanft ruhe ihre Aſche neben ihren fuͤrſtlichen
Anverwandten!
Prinzeſſin. Ihro Majeſtaͤt erhitzen ſich
zu ſehr.
Koͤnig. Wenn mir die Erinnerung davon
zuruͤck koͤmmt, — o mein Kind, auf meinen Knieen
moͤcht ich Dich beſchwoͤren, — nimm Dich beim
Verheirathen ja in Acht. — Es iſt eine große
Wahrheit, daß man Leinewand und einen Braͤu-
tigam nicht bei Lichte kaufen muͤſſe; eine erhabene
Wahrheit, die jedes Maͤdchen mit goldenen Buch-
ſtaben in ihr Schlafzimmer ſollte ſchreiben laſſen.
— Was hab ich gelitten! Kein Tag verging ohne
Zank, ich konnte nicht in Ruhe ſchlafen, ich konnte
die Reichsgeſchaͤfte nicht mit Bequemlichkeit ver-
walten, ich konnte uͤber nichts denken, ich konnte
mit Verſtand keine Zeitung leſen, — bei Tiſche,
beim beſten Braten, beim geſundeſten Appetit, im-
mer mußte ich alles nur mit Verdruß hinunter wuͤr-
gen, ſo wurde gezankt, geſcholten, gegraͤmelt, ge-
brummt, gemault, gegrollt, geſchmollt, gekeift, ge-
biſſen, gemurrt, geknurrt und geſchnurrt, daß ich
mir oft an der Tafel mitten unter den Gerichten
den Tod gewuͤnſcht habe. — Und doch ſehnt ſich
mein Geiſt, verewigte Klotilde, jezuweilen nach
Dir zuruͤck. — Es beißt mir in den Augen, — ich
bin ein rechter alter Narr.
Prinzeſſin. (zaͤrtlich.) Mein Vater.
Koͤnig. Ich zittre, wenn ich uͤberhaupt an
alle die Gefahren denke, die Dir bevorſtehn, denn
wenn Du dich nun auch wirklich verlieben ſollteſt,
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