Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. scheint, indem sie aufgehalten wird. Shakspearist auch hierin Meister. Außer im Hamlet, sagte Ernst, denn man mag den vierten Akt anheben, wo man will, so erscheint er gegen die vorhergehenden Scenen kalt und leer: es ist, als wenn ein neues Schau- spiel beginnen wollte. Wie haben Sie denn, um etwas anders zu sprechen, im Städtchen die Schauspielergesell- schaft gefunden? fragte Auguste, gegen Lothar gewendet. Merkwürdig genug, antwortete dieser, und ich fürchte nur, zu weitläufig zu werden, da es schon spät ist, sonst wollte ich Ihnen noch heut meinen Bericht darüber abstatten. Und wie haben Sie Ihren Morgen angewendet, indeß die Reisenden die Gegenden betrachteten? Wir waren mit Musik beschäftigt, antwor- tete Auguste, hauptsächlich mit den Psalmen des Marcello. Kann man auch nicht umhin, sagte Ernst, diesen Musiker einen Manieristen zu nennen, denn man erkennt ihn sogleich in den ersten Takten eines jeden Singestückes, so hat seine Phantasie doch einen großartigen Schwung, und alle seine Werke sind wahrhaft enthusiastisch. Wie herr- lich ist sein Psalm: Qual anelante, oder Grand' Iddio, so wie O d'immensa pieta, nicht min- der Signor quanto etc., -- und selbst dann, wenn er sich in das Gewöhnliche verliert, ha- Zweite Abtheilung. ſcheint, indem ſie aufgehalten wird. Shakſpeariſt auch hierin Meiſter. Außer im Hamlet, ſagte Ernſt, denn man mag den vierten Akt anheben, wo man will, ſo erſcheint er gegen die vorhergehenden Scenen kalt und leer: es iſt, als wenn ein neues Schau- ſpiel beginnen wollte. Wie haben Sie denn, um etwas anders zu ſprechen, im Staͤdtchen die Schauſpielergeſell- ſchaft gefunden? fragte Auguſte, gegen Lothar gewendet. Merkwuͤrdig genug, antwortete dieſer, und ich fuͤrchte nur, zu weitlaͤufig zu werden, da es ſchon ſpaͤt iſt, ſonſt wollte ich Ihnen noch heut meinen Bericht daruͤber abſtatten. Und wie haben Sie Ihren Morgen angewendet, indeß die Reiſenden die Gegenden betrachteten? Wir waren mit Muſik beſchaͤftigt, antwor- tete Auguſte, hauptſaͤchlich mit den Pſalmen des Marcello. Kann man auch nicht umhin, ſagte Ernſt, dieſen Muſiker einen Manieriſten zu nennen, denn man erkennt ihn ſogleich in den erſten Takten eines jeden Singeſtuͤckes, ſo hat ſeine Phantaſie doch einen großartigen Schwung, und alle ſeine Werke ſind wahrhaft enthuſiaſtiſch. Wie herr- lich iſt ſein Pſalm: Qual anelante, oder Grand' Iddio, ſo wie O d'immensa pieta, nicht min- der Signor quanto etc., — und ſelbſt dann, wenn er ſich in das Gewoͤhnliche verliert, ha- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#WINFRED"> <p><pb facs="#f0150" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> ſcheint, indem ſie aufgehalten wird. Shakſpear<lb/> iſt auch hierin Meiſter.</p><lb/> <p>Außer im Hamlet, ſagte Ernſt, denn man<lb/> mag den vierten Akt anheben, wo man will,<lb/> ſo erſcheint er gegen die vorhergehenden Scenen<lb/> kalt und leer: es iſt, als wenn ein neues Schau-<lb/> ſpiel beginnen wollte.</p><lb/> <p>Wie haben Sie denn, um etwas anders zu<lb/> ſprechen, im Staͤdtchen die Schauſpielergeſell-<lb/> ſchaft gefunden? fragte Auguſte, gegen Lothar<lb/> gewendet.</p><lb/> <p>Merkwuͤrdig genug, antwortete dieſer, und<lb/> ich fuͤrchte nur, zu weitlaͤufig zu werden, da<lb/> es ſchon ſpaͤt iſt, ſonſt wollte ich Ihnen noch<lb/> heut meinen Bericht daruͤber abſtatten. Und wie<lb/> haben Sie Ihren Morgen angewendet, indeß<lb/> die Reiſenden die Gegenden betrachteten?</p><lb/> <p>Wir waren mit Muſik beſchaͤftigt, antwor-<lb/> tete Auguſte, hauptſaͤchlich mit den Pſalmen des<lb/> Marcello.</p><lb/> <p>Kann man auch nicht umhin, ſagte Ernſt,<lb/> dieſen Muſiker einen Manieriſten zu nennen, denn<lb/> man erkennt ihn ſogleich in den erſten Takten<lb/> eines jeden Singeſtuͤckes, ſo hat ſeine Phantaſie<lb/> doch einen großartigen Schwung, und alle ſeine<lb/> Werke ſind wahrhaft enthuſiaſtiſch. Wie herr-<lb/> lich iſt ſein Pſalm: <hi rendition="#aq">Qual anelante,</hi> oder <hi rendition="#aq">Grand'<lb/> Iddio,</hi> ſo wie <hi rendition="#aq">O d'immensa pieta,</hi> nicht min-<lb/> der <hi rendition="#aq">Signor quanto etc.,</hi> — und ſelbſt dann,<lb/> wenn er ſich in das Gewoͤhnliche verliert, ha-<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0150]
Zweite Abtheilung.
ſcheint, indem ſie aufgehalten wird. Shakſpear
iſt auch hierin Meiſter.
Außer im Hamlet, ſagte Ernſt, denn man
mag den vierten Akt anheben, wo man will,
ſo erſcheint er gegen die vorhergehenden Scenen
kalt und leer: es iſt, als wenn ein neues Schau-
ſpiel beginnen wollte.
Wie haben Sie denn, um etwas anders zu
ſprechen, im Staͤdtchen die Schauſpielergeſell-
ſchaft gefunden? fragte Auguſte, gegen Lothar
gewendet.
Merkwuͤrdig genug, antwortete dieſer, und
ich fuͤrchte nur, zu weitlaͤufig zu werden, da
es ſchon ſpaͤt iſt, ſonſt wollte ich Ihnen noch
heut meinen Bericht daruͤber abſtatten. Und wie
haben Sie Ihren Morgen angewendet, indeß
die Reiſenden die Gegenden betrachteten?
Wir waren mit Muſik beſchaͤftigt, antwor-
tete Auguſte, hauptſaͤchlich mit den Pſalmen des
Marcello.
Kann man auch nicht umhin, ſagte Ernſt,
dieſen Muſiker einen Manieriſten zu nennen, denn
man erkennt ihn ſogleich in den erſten Takten
eines jeden Singeſtuͤckes, ſo hat ſeine Phantaſie
doch einen großartigen Schwung, und alle ſeine
Werke ſind wahrhaft enthuſiaſtiſch. Wie herr-
lich iſt ſein Pſalm: Qual anelante, oder Grand'
Iddio, ſo wie O d'immensa pieta, nicht min-
der Signor quanto etc., — und ſelbſt dann,
wenn er ſich in das Gewoͤhnliche verliert, ha-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |