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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.
würde es auch mit den Einrichtungen der Wirth-
schaft übel aussehn.

Dich nehm' ich aus, sagte Manfred, und
einer Hausfrau steht auch nichts so liebenswür-
dig, als eine stille, unerschütterliche Ordnung:
aber auch nur die stille Ordnung, denn noch
schlimmer als die Unordentlichen sind die für
die Ordnung Wüthenden, in deren Häusern nichts
als Einrichtung, Abrichten der Domestiken, Auf-
räumen und Staubabwischen zu finden ist;
eine solche Frau haben, wäre eben so wie unter
der großen Kirchenuhr und den Glocken wohnen,
wo man nichts als den Perpendikel und das
fürchterliche Schlagen der Stunden hört: auch
eine männlich ordentliche und unternehmende
Therese ist widerwärtig. Aber in aller liebens-
würdigen weiblichen Unordnung schweift meine
theure Schwester Auguste etwas zu sehr aus.

Das weiß Gott! fuhr Wilibald etwas über-
eilt heraus; denn wenn ein Spatziergang abge-
redet ist, so muß man wohl anderthalb Stun-
den mit dem Stock in der Hand unten stehn
und warten, und dann hat die liebenswürdige
Dame entweder den Spatziergang ganz vergessen,
und besinnt sich erst darauf, wenn man einige-
mal hat erinnern lassen, oder sie kommt auch
wohl endlich, aber nun hat man nicht an Hand-
schuh und Sonnenschirm und Tuch gedacht;
man geht zurück, man kramt, und fällt dabei
nicht selten wieder in eine Beschäftigung, die

Einleitung.
wuͤrde es auch mit den Einrichtungen der Wirth-
ſchaft uͤbel ausſehn.

Dich nehm' ich aus, ſagte Manfred, und
einer Hausfrau ſteht auch nichts ſo liebenswuͤr-
dig, als eine ſtille, unerſchuͤtterliche Ordnung:
aber auch nur die ſtille Ordnung, denn noch
ſchlimmer als die Unordentlichen ſind die fuͤr
die Ordnung Wuͤthenden, in deren Haͤuſern nichts
als Einrichtung, Abrichten der Domeſtiken, Auf-
raͤumen und Staubabwiſchen zu finden iſt;
eine ſolche Frau haben, waͤre eben ſo wie unter
der großen Kirchenuhr und den Glocken wohnen,
wo man nichts als den Perpendikel und das
fuͤrchterliche Schlagen der Stunden hoͤrt: auch
eine maͤnnlich ordentliche und unternehmende
Thereſe iſt widerwaͤrtig. Aber in aller liebens-
wuͤrdigen weiblichen Unordnung ſchweift meine
theure Schweſter Auguſte etwas zu ſehr aus.

Das weiß Gott! fuhr Wilibald etwas uͤber-
eilt heraus; denn wenn ein Spatziergang abge-
redet iſt, ſo muß man wohl anderthalb Stun-
den mit dem Stock in der Hand unten ſtehn
und warten, und dann hat die liebenswuͤrdige
Dame entweder den Spatziergang ganz vergeſſen,
und beſinnt ſich erſt darauf, wenn man einige-
mal hat erinnern laſſen, oder ſie kommt auch
wohl endlich, aber nun hat man nicht an Hand-
ſchuh und Sonnenſchirm und Tuch gedacht;
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[68/0079] Einleitung. wuͤrde es auch mit den Einrichtungen der Wirth- ſchaft uͤbel ausſehn. Dich nehm' ich aus, ſagte Manfred, und einer Hausfrau ſteht auch nichts ſo liebenswuͤr- dig, als eine ſtille, unerſchuͤtterliche Ordnung: aber auch nur die ſtille Ordnung, denn noch ſchlimmer als die Unordentlichen ſind die fuͤr die Ordnung Wuͤthenden, in deren Haͤuſern nichts als Einrichtung, Abrichten der Domeſtiken, Auf- raͤumen und Staubabwiſchen zu finden iſt; eine ſolche Frau haben, waͤre eben ſo wie unter der großen Kirchenuhr und den Glocken wohnen, wo man nichts als den Perpendikel und das fuͤrchterliche Schlagen der Stunden hoͤrt: auch eine maͤnnlich ordentliche und unternehmende Thereſe iſt widerwaͤrtig. Aber in aller liebens- wuͤrdigen weiblichen Unordnung ſchweift meine theure Schweſter Auguſte etwas zu ſehr aus. Das weiß Gott! fuhr Wilibald etwas uͤber- eilt heraus; denn wenn ein Spatziergang abge- redet iſt, ſo muß man wohl anderthalb Stun- den mit dem Stock in der Hand unten ſtehn und warten, und dann hat die liebenswuͤrdige Dame entweder den Spatziergang ganz vergeſſen, und beſinnt ſich erſt darauf, wenn man einige- mal hat erinnern laſſen, oder ſie kommt auch wohl endlich, aber nun hat man nicht an Hand- ſchuh und Sonnenſchirm und Tuch gedacht; man geht zuruͤck, man kramt, und faͤllt dabei nicht ſelten wieder in eine Beſchaͤftigung, die

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/79>, abgerufen am 03.05.2024.