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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Rothkäppchen.
Ich sah sie im Wald, sie besuchte mich heimlich,
Wir wünschten, wir wären unzertrennlich.
Eines Morgens verspätet sich die Theure,
Die Bauren kommen zum Dreschen in die Scheure,
Finden da das unvergleichliche Weib,
Drauf mit den Dreschflegeln über den zarten Leib,
Und hast du nicht gesehn, von Wuth gezügelt,
Die Geliebte vom Hofe herunter geprügelt!
Hund.
Da war dir wohl die Petersilie verregnet?
Wolf.
Ist es so, daß ihr der Liebe begegnet,
Ihr Menschen? dacht ich in meinem Sinn,
Doch unterdrückt ich meinen Grimm,
Ich lernte mich unter der Noth bequemen,
Die Leidenschaft meines Herzens zähmen.
Es währte nicht lange, so merkten's im Dorf
Ich sey kein Hund nicht, sondern ein Wolf.
Was liegt am Namen? da sie mich kannten,
Da ich so treue Dienste gethan?
Doch war ich seitdem ein verlorner Mann,
Weil sie dies Vorurtheil nicht verbannten.
Man traut mir nicht, man legt mich an die Kette,
Als wenn ich ein Verbrechen begangen hätte.
Ich fügte mich mit O! und Ach!
Auch wieder in die neue Schmach;
Doch Nachts vernahm ich einen Plan,
Vor dem mein ganzes Blut gerann:
Man beschloß, mich so in Fesseln zu legen,
Daß ich nicht Hand nicht Fuß könnte regen;
Hernach, so hört' ich sie sich besprechen,
Rothkaͤppchen.
Ich ſah ſie im Wald, ſie beſuchte mich heimlich,
Wir wuͤnſchten, wir waͤren unzertrennlich.
Eines Morgens verſpaͤtet ſich die Theure,
Die Bauren kommen zum Dreſchen in die Scheure,
Finden da das unvergleichliche Weib,
Drauf mit den Dreſchflegeln uͤber den zarten Leib,
Und haſt du nicht geſehn, von Wuth gezuͤgelt,
Die Geliebte vom Hofe herunter gepruͤgelt!
Hund.
Da war dir wohl die Peterſilie verregnet?
Wolf.
Iſt es ſo, daß ihr der Liebe begegnet,
Ihr Menſchen? dacht ich in meinem Sinn,
Doch unterdruͤckt ich meinen Grimm,
Ich lernte mich unter der Noth bequemen,
Die Leidenſchaft meines Herzens zaͤhmen.
Es waͤhrte nicht lange, ſo merkten's im Dorf
Ich ſey kein Hund nicht, ſondern ein Wolf.
Was liegt am Namen? da ſie mich kannten,
Da ich ſo treue Dienſte gethan?
Doch war ich ſeitdem ein verlorner Mann,
Weil ſie dies Vorurtheil nicht verbannten.
Man traut mir nicht, man legt mich an die Kette,
Als wenn ich ein Verbrechen begangen haͤtte.
Ich fuͤgte mich mit O! und Ach!
Auch wieder in die neue Schmach;
Doch Nachts vernahm ich einen Plan,
Vor dem mein ganzes Blut gerann:
Man beſchloß, mich ſo in Feſſeln zu legen,
Daß ich nicht Hand nicht Fuß koͤnnte regen;
Hernach, ſo hoͤrt' ich ſie ſich beſprechen,
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[499/0510] Rothkaͤppchen. Ich ſah ſie im Wald, ſie beſuchte mich heimlich, Wir wuͤnſchten, wir waͤren unzertrennlich. Eines Morgens verſpaͤtet ſich die Theure, Die Bauren kommen zum Dreſchen in die Scheure, Finden da das unvergleichliche Weib, Drauf mit den Dreſchflegeln uͤber den zarten Leib, Und haſt du nicht geſehn, von Wuth gezuͤgelt, Die Geliebte vom Hofe herunter gepruͤgelt! Hund. Da war dir wohl die Peterſilie verregnet? Wolf. Iſt es ſo, daß ihr der Liebe begegnet, Ihr Menſchen? dacht ich in meinem Sinn, Doch unterdruͤckt ich meinen Grimm, Ich lernte mich unter der Noth bequemen, Die Leidenſchaft meines Herzens zaͤhmen. Es waͤhrte nicht lange, ſo merkten's im Dorf Ich ſey kein Hund nicht, ſondern ein Wolf. Was liegt am Namen? da ſie mich kannten, Da ich ſo treue Dienſte gethan? Doch war ich ſeitdem ein verlorner Mann, Weil ſie dies Vorurtheil nicht verbannten. Man traut mir nicht, man legt mich an die Kette, Als wenn ich ein Verbrechen begangen haͤtte. Ich fuͤgte mich mit O! und Ach! Auch wieder in die neue Schmach; Doch Nachts vernahm ich einen Plan, Vor dem mein ganzes Blut gerann: Man beſchloß, mich ſo in Feſſeln zu legen, Daß ich nicht Hand nicht Fuß koͤnnte regen; Hernach, ſo hoͤrt' ich ſie ſich beſprechen,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/510>, abgerufen am 22.11.2024.