Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Rothkäppchen. Ja, es hat manchen Zank gesetzt; Aber die Mutter hat Recht, denn sie versetzt, Das Trinken wär ihm an Arbeit hinderlich. Der Vater ist ganz bös und wunderlich. Großmutter. Sei still, mein Tochter, es schickt sich weder Daß Kinder dergleichen merken noch reden. Rothkäppchen. Das hat ihm Mutter auch zu Gemüth geführt, Daß er sich nicht ein bischen vor mir genirt, Wenn er des Abends betrunken heime schwärmt Und ohne Ursach zankt und lärmt. -- Ich habe dir schönen Blumen mitgebracht, Bald hätt ich daran nicht gedacht, Es lacht von rother Blüthe der ganze Wald, Von tausend Vögeln das grüne Dickicht schallt. Großmutter. Ei sieh, wie du in deiner Tasche fast Die lieben Blümchen ganz zerknittert hast! Du bist und bleibst ein wildes Ding. Rothkäppchen. Als ich so auf dem Fußsteig ging, Wars, als hätt ich sie pflücken müssen, So lachten sie zu meinen Füßen; Ich dachte, du könntest sie vors Fenster stellen. -- Horch! was müssen denn wohl die Hunde so bellen? Großmutter. Man spricht, daß sich seit ein'gen Tagen Ein Wolf hier zeigt, den mögen sie wohl jagen. Zweite Abtheilung. Rothkaͤppchen. Ja, es hat manchen Zank geſetzt; Aber die Mutter hat Recht, denn ſie verſetzt, Das Trinken waͤr ihm an Arbeit hinderlich. Der Vater iſt ganz boͤs und wunderlich. Großmutter. Sei ſtill, mein Tochter, es ſchickt ſich weder Daß Kinder dergleichen merken noch reden. Rothkaͤppchen. Das hat ihm Mutter auch zu Gemuͤth gefuͤhrt, Daß er ſich nicht ein bischen vor mir genirt, Wenn er des Abends betrunken heime ſchwaͤrmt Und ohne Urſach zankt und laͤrmt. — Ich habe dir ſchoͤnen Blumen mitgebracht, Bald haͤtt ich daran nicht gedacht, Es lacht von rother Bluͤthe der ganze Wald, Von tauſend Voͤgeln das gruͤne Dickicht ſchallt. Großmutter. Ei ſieh, wie du in deiner Taſche faſt Die lieben Bluͤmchen ganz zerknittert haſt! Du biſt und bleibſt ein wildes Ding. Rothkaͤppchen. Als ich ſo auf dem Fußſteig ging, Wars, als haͤtt ich ſie pfluͤcken muͤſſen, So lachten ſie zu meinen Fuͤßen; Ich dachte, du koͤnnteſt ſie vors Fenſter ſtellen. — Horch! was muͤſſen denn wohl die Hunde ſo bellen? Großmutter. Man ſpricht, daß ſich ſeit ein'gen Tagen Ein Wolf hier zeigt, den moͤgen ſie wohl jagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0495" n="484"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#ROT"> <speaker><hi rendition="#g">Rothkaͤppchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Ja, es hat manchen Zank geſetzt;<lb/> Aber die Mutter hat Recht, denn ſie verſetzt,<lb/> Das Trinken waͤr ihm an Arbeit hinderlich.<lb/> Der Vater iſt ganz boͤs und wunderlich.</p> </sp><lb/> <sp who="#GRANM"> <speaker><hi rendition="#g">Großmutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Sei ſtill, mein Tochter, es ſchickt ſich weder<lb/> Daß Kinder dergleichen merken noch reden.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROT"> <speaker><hi rendition="#g">Rothkaͤppchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Das hat ihm Mutter auch zu Gemuͤth gefuͤhrt,<lb/> Daß er ſich nicht ein bischen vor mir genirt,<lb/> Wenn er des Abends betrunken heime ſchwaͤrmt<lb/> Und ohne Urſach zankt und laͤrmt. —<lb/> Ich habe dir ſchoͤnen Blumen mitgebracht,<lb/> Bald haͤtt ich daran nicht gedacht,<lb/> Es lacht von rother Bluͤthe der ganze Wald,<lb/> Von tauſend Voͤgeln das gruͤne Dickicht ſchallt.</p> </sp><lb/> <sp who="#GRANM"> <speaker><hi rendition="#g">Großmutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Ei ſieh, wie du in deiner Taſche faſt<lb/> Die lieben Bluͤmchen ganz zerknittert haſt!<lb/> Du biſt und bleibſt ein wildes Ding.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROT"> <speaker><hi rendition="#g">Rothkaͤppchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Als ich ſo auf dem Fußſteig ging,<lb/> Wars, als haͤtt ich ſie pfluͤcken muͤſſen,<lb/> So lachten ſie zu meinen Fuͤßen;<lb/> Ich dachte, du koͤnnteſt ſie vors Fenſter ſtellen. —<lb/> Horch! was muͤſſen denn wohl die Hunde ſo<lb/><hi rendition="#et">bellen?</hi></p> </sp><lb/> <sp who="#GRANM"> <speaker><hi rendition="#g">Großmutter</hi>.</speaker><lb/> <p>Man ſpricht, daß ſich ſeit ein'gen Tagen<lb/> Ein Wolf hier zeigt, den moͤgen ſie wohl jagen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [484/0495]
Zweite Abtheilung.
Rothkaͤppchen.
Ja, es hat manchen Zank geſetzt;
Aber die Mutter hat Recht, denn ſie verſetzt,
Das Trinken waͤr ihm an Arbeit hinderlich.
Der Vater iſt ganz boͤs und wunderlich.
Großmutter.
Sei ſtill, mein Tochter, es ſchickt ſich weder
Daß Kinder dergleichen merken noch reden.
Rothkaͤppchen.
Das hat ihm Mutter auch zu Gemuͤth gefuͤhrt,
Daß er ſich nicht ein bischen vor mir genirt,
Wenn er des Abends betrunken heime ſchwaͤrmt
Und ohne Urſach zankt und laͤrmt. —
Ich habe dir ſchoͤnen Blumen mitgebracht,
Bald haͤtt ich daran nicht gedacht,
Es lacht von rother Bluͤthe der ganze Wald,
Von tauſend Voͤgeln das gruͤne Dickicht ſchallt.
Großmutter.
Ei ſieh, wie du in deiner Taſche faſt
Die lieben Bluͤmchen ganz zerknittert haſt!
Du biſt und bleibſt ein wildes Ding.
Rothkaͤppchen.
Als ich ſo auf dem Fußſteig ging,
Wars, als haͤtt ich ſie pfluͤcken muͤſſen,
So lachten ſie zu meinen Fuͤßen;
Ich dachte, du koͤnnteſt ſie vors Fenſter ſtellen. —
Horch! was muͤſſen denn wohl die Hunde ſo
bellen?
Großmutter.
Man ſpricht, daß ſich ſeit ein'gen Tagen
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