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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die Elfen.
liebsten aber hielt sie sich zu der Gespielin, die ihr
zuerst entgegen gegangen war, denn sie war die
freundlichste und holdseligste von allen. Die kleine
Marie rief einmal über das andre: ich will immer
bei euch bleiben und ihr sollt meine Schwestern
seyn, worüber alle Kinder lachten und sie umarm-
ten. Jetzt wollen wir ein schönes Spiel machen,
sagte Zerina. Sie lief eilig in den Pallast und
kam mit einem goldenen Schächtelchen zurück, in
welchem sich glänzender Saamenstaub befand. Sie
faßte mit den kleinen Fingern, und streute einige
Körner auf den grünen Boden. Alsbald sah man
das Gras wie in Wogen rauschen, und nach we-
nigen Augenblicken schlugen glänzende Rosengebü-
sche aus der Erde, wuchsen schnell empor und ent-
falteten sich plötzlich, indem der süßeste Wohlge-
ruch den Raum erfüllte. Auch Maria faßte von
dem Staube, und als sie ihn ausgestreut hatte,
tauchten weiße Lilien und die buntesten Nelken her-
vor. Auf einen Wink Zerinas verschwanden die
Blumen wieder und andre erschienen an ihrer Stelle.
Jetzt, sagte Zerina, mache dich auf etwas Größe-
res gefaßt. Sie legte zwei Pinienkörner in den
Boden und stampfte sie heftig mit dem Fuße ein.
Zwei grüne Sträucher standen vor ihnen. Fasse
dich fest mit mir, sagte sie, und Marie schlang die
Arme um den zarten Leib. Da fühlte sie sich em-
por gehoben, denn die Bäume wuchsen unter ihnen
mit der größten Schnelligkeit; die hohen Pinien
bewegten sich und die beiden Kinder hielten sich hin
und wieder schwebend in den rothen Abendwolken

Die Elfen.
liebſten aber hielt ſie ſich zu der Geſpielin, die ihr
zuerſt entgegen gegangen war, denn ſie war die
freundlichſte und holdſeligſte von allen. Die kleine
Marie rief einmal uͤber das andre: ich will immer
bei euch bleiben und ihr ſollt meine Schweſtern
ſeyn, woruͤber alle Kinder lachten und ſie umarm-
ten. Jetzt wollen wir ein ſchoͤnes Spiel machen,
ſagte Zerina. Sie lief eilig in den Pallaſt und
kam mit einem goldenen Schaͤchtelchen zuruͤck, in
welchem ſich glaͤnzender Saamenſtaub befand. Sie
faßte mit den kleinen Fingern, und ſtreute einige
Koͤrner auf den gruͤnen Boden. Alsbald ſah man
das Gras wie in Wogen rauſchen, und nach we-
nigen Augenblicken ſchlugen glaͤnzende Roſengebuͤ-
ſche aus der Erde, wuchſen ſchnell empor und ent-
falteten ſich ploͤtzlich, indem der ſuͤßeſte Wohlge-
ruch den Raum erfuͤllte. Auch Maria faßte von
dem Staube, und als ſie ihn ausgeſtreut hatte,
tauchten weiße Lilien und die bunteſten Nelken her-
vor. Auf einen Wink Zerinas verſchwanden die
Blumen wieder und andre erſchienen an ihrer Stelle.
Jetzt, ſagte Zerina, mache dich auf etwas Groͤße-
res gefaßt. Sie legte zwei Pinienkoͤrner in den
Boden und ſtampfte ſie heftig mit dem Fuße ein.
Zwei gruͤne Straͤucher ſtanden vor ihnen. Faſſe
dich feſt mit mir, ſagte ſie, und Marie ſchlang die
Arme um den zarten Leib. Da fuͤhlte ſie ſich em-
por gehoben, denn die Baͤume wuchſen unter ihnen
mit der groͤßten Schnelligkeit; die hohen Pinien
bewegten ſich und die beiden Kinder hielten ſich hin
und wieder ſchwebend in den rothen Abendwolken

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[407/0418] Die Elfen. liebſten aber hielt ſie ſich zu der Geſpielin, die ihr zuerſt entgegen gegangen war, denn ſie war die freundlichſte und holdſeligſte von allen. Die kleine Marie rief einmal uͤber das andre: ich will immer bei euch bleiben und ihr ſollt meine Schweſtern ſeyn, woruͤber alle Kinder lachten und ſie umarm- ten. Jetzt wollen wir ein ſchoͤnes Spiel machen, ſagte Zerina. Sie lief eilig in den Pallaſt und kam mit einem goldenen Schaͤchtelchen zuruͤck, in welchem ſich glaͤnzender Saamenſtaub befand. Sie faßte mit den kleinen Fingern, und ſtreute einige Koͤrner auf den gruͤnen Boden. Alsbald ſah man das Gras wie in Wogen rauſchen, und nach we- nigen Augenblicken ſchlugen glaͤnzende Roſengebuͤ- ſche aus der Erde, wuchſen ſchnell empor und ent- falteten ſich ploͤtzlich, indem der ſuͤßeſte Wohlge- ruch den Raum erfuͤllte. Auch Maria faßte von dem Staube, und als ſie ihn ausgeſtreut hatte, tauchten weiße Lilien und die bunteſten Nelken her- vor. Auf einen Wink Zerinas verſchwanden die Blumen wieder und andre erſchienen an ihrer Stelle. Jetzt, ſagte Zerina, mache dich auf etwas Groͤße- res gefaßt. Sie legte zwei Pinienkoͤrner in den Boden und ſtampfte ſie heftig mit dem Fuße ein. Zwei gruͤne Straͤucher ſtanden vor ihnen. Faſſe dich feſt mit mir, ſagte ſie, und Marie ſchlang die Arme um den zarten Leib. Da fuͤhlte ſie ſich em- por gehoben, denn die Baͤume wuchſen unter ihnen mit der groͤßten Schnelligkeit; die hohen Pinien bewegten ſich und die beiden Kinder hielten ſich hin und wieder ſchwebend in den rothen Abendwolken

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/418>, abgerufen am 22.11.2024.