hatte. Er eilte an das Ufer, aber Niemand war da, und das Schiff nirgend zu sehn. Da senkte sich eine große Traurigkeit in sein Herz, alle seine Hofnungen waren wieder verschwunden: er stürzte nieder und lag am Ufer des Meeres ohne Besin- nung und in tiefer Ohnmacht, so daß es finstre Nacht wurde und er es nicht bemerkte.
Als es nach Mitternacht kam, ging der Mond auf, und einige Fischer fuhren mit einem Kahne an die Insel, um ihre Arbeit hier vorzunehmen; sie fanden den Jüngling, der für todt auf der Erde ausgestreckt lag. Das feste Land war nicht weit von dieser Insel, sie luden ihn daher in ihr kleines Schiff, und fuhren wieder ab, um ihn ins Leben zurück zu bringen. Schon unterwegs er- wachte Peter; es dünkte ihm seltsam, als ihm der Mond ins Angesicht schien und er die Ruder seuf- zen hörte, und wie er vernahm, daß zwei fremde Männer mit einander verabredeten, wie sie ihn zu einem alten Schäfer bringen wollten, der sein pflegen würde. Oft kam es ihm vor wie ein Traum, oft wieder wie Wahrheit, und er zwei- felte so lange, bis sie endlich mit dem Aufgang der Sonne landeten.
Als Peter eine Weile in den erquickenden Son- nenstrahlen gelegen hatte, ward er wieder munter und richtete sich auf; er dankte in einem Gebete Gott, daß er ihm wieder von der menschenleeren Insel geholfen habe, dann gab er den guten Fi- schern eine Menge Goldes, und ließ sich den Weg nach der Hütte des Schäfers beschreiben.
Die ſchoͤne Magelone.
hatte. Er eilte an das Ufer, aber Niemand war da, und das Schiff nirgend zu ſehn. Da ſenkte ſich eine große Traurigkeit in ſein Herz, alle ſeine Hofnungen waren wieder verſchwunden: er ſtuͤrzte nieder und lag am Ufer des Meeres ohne Beſin- nung und in tiefer Ohnmacht, ſo daß es finſtre Nacht wurde und er es nicht bemerkte.
Als es nach Mitternacht kam, ging der Mond auf, und einige Fiſcher fuhren mit einem Kahne an die Inſel, um ihre Arbeit hier vorzunehmen; ſie fanden den Juͤngling, der fuͤr todt auf der Erde ausgeſtreckt lag. Das feſte Land war nicht weit von dieſer Inſel, ſie luden ihn daher in ihr kleines Schiff, und fuhren wieder ab, um ihn ins Leben zuruͤck zu bringen. Schon unterwegs er- wachte Peter; es duͤnkte ihm ſeltſam, als ihm der Mond ins Angeſicht ſchien und er die Ruder ſeuf- zen hoͤrte, und wie er vernahm, daß zwei fremde Maͤnner mit einander verabredeten, wie ſie ihn zu einem alten Schaͤfer bringen wollten, der ſein pflegen wuͤrde. Oft kam es ihm vor wie ein Traum, oft wieder wie Wahrheit, und er zwei- felte ſo lange, bis ſie endlich mit dem Aufgang der Sonne landeten.
Als Peter eine Weile in den erquickenden Son- nenſtrahlen gelegen hatte, ward er wieder munter und richtete ſich auf; er dankte in einem Gebete Gott, daß er ihm wieder von der menſchenleeren Inſel geholfen habe, dann gab er den guten Fi- ſchern eine Menge Goldes, und ließ ſich den Weg nach der Huͤtte des Schaͤfers beſchreiben.
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Die ſchoͤne Magelone.
hatte. Er eilte an das Ufer, aber Niemand war
da, und das Schiff nirgend zu ſehn. Da ſenkte
ſich eine große Traurigkeit in ſein Herz, alle ſeine
Hofnungen waren wieder verſchwunden: er ſtuͤrzte
nieder und lag am Ufer des Meeres ohne Beſin-
nung und in tiefer Ohnmacht, ſo daß es finſtre
Nacht wurde und er es nicht bemerkte.
Als es nach Mitternacht kam, ging der Mond
auf, und einige Fiſcher fuhren mit einem Kahne
an die Inſel, um ihre Arbeit hier vorzunehmen;
ſie fanden den Juͤngling, der fuͤr todt auf der
Erde ausgeſtreckt lag. Das feſte Land war nicht
weit von dieſer Inſel, ſie luden ihn daher in ihr
kleines Schiff, und fuhren wieder ab, um ihn ins
Leben zuruͤck zu bringen. Schon unterwegs er-
wachte Peter; es duͤnkte ihm ſeltſam, als ihm der
Mond ins Angeſicht ſchien und er die Ruder ſeuf-
zen hoͤrte, und wie er vernahm, daß zwei fremde
Maͤnner mit einander verabredeten, wie ſie ihn
zu einem alten Schaͤfer bringen wollten, der ſein
pflegen wuͤrde. Oft kam es ihm vor wie ein
Traum, oft wieder wie Wahrheit, und er zwei-
felte ſo lange, bis ſie endlich mit dem Aufgang
der Sonne landeten.
Als Peter eine Weile in den erquickenden Son-
nenſtrahlen gelegen hatte, ward er wieder munter
und richtete ſich auf; er dankte in einem Gebete
Gott, daß er ihm wieder von der menſchenleeren
Inſel geholfen habe, dann gab er den guten Fi-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/398>, abgerufen am 25.11.2024.
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