Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Die schöne Magelone. All ihr süßen Blümelein, Sei es Farbe, seis Gestalt, Mahlt mit liebender Gewalt Meiner Liebsten hellen Schein, Zankt nicht, zarte Blümelein. Rosen, duftende Narzissen, Alle Blumen schöner prangen, Wenn sie ihren Busen küssen Oder in den Locken hangen, Blaue Veilchen, bunte Nelken, Wenn sie sie zur Zierde pflückt, Müssen gern als Putz verwelken, Durch den süßen Tod beglückt. Lehrer sind mir diese Blüthen, Und ich thue wie sie thun, Folge ihnen, wie sie riethen, Ach! ich will gern alles bieten, Kann ich ihr am Busen ruhn. Nicht auf Jahre sie erwerben, Nein, nur kurze, kleine Zeit, Dann in ihren Armen sterben, Sterben ohne Wunsch und Neid. Ach! wie manche Blume klaget Einsam hier im stillen Thal, Sie verwelket eh es taget, Stirbt beim ersten Sonnenstrahl: Ach, so bitter herzlich naget Auch an mir die scharfe Qual, Daß ich sie und all mein Glücke, Nimmer, nimmermehr erblicke. Er weinte heftig, indem er die letzten Worte I. [ 25 ]
Die ſchoͤne Magelone. All ihr ſuͤßen Bluͤmelein, Sei es Farbe, ſeis Geſtalt, Mahlt mit liebender Gewalt Meiner Liebſten hellen Schein, Zankt nicht, zarte Bluͤmelein. Roſen, duftende Narziſſen, Alle Blumen ſchoͤner prangen, Wenn ſie ihren Buſen kuͤſſen Oder in den Locken hangen, Blaue Veilchen, bunte Nelken, Wenn ſie ſie zur Zierde pfluͤckt, Muͤſſen gern als Putz verwelken, Durch den ſuͤßen Tod begluͤckt. Lehrer ſind mir dieſe Bluͤthen, Und ich thue wie ſie thun, Folge ihnen, wie ſie riethen, Ach! ich will gern alles bieten, Kann ich ihr am Buſen ruhn. Nicht auf Jahre ſie erwerben, Nein, nur kurze, kleine Zeit, Dann in ihren Armen ſterben, Sterben ohne Wunſch und Neid. Ach! wie manche Blume klaget Einſam hier im ſtillen Thal, Sie verwelket eh es taget, Stirbt beim erſten Sonnenſtrahl: Ach, ſo bitter herzlich naget Auch an mir die ſcharfe Qual, Daß ich ſie und all mein Gluͤcke, Nimmer, nimmermehr erblicke. Er weinte heftig, indem er die letzten Worte I. [ 25 ]
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Die ſchoͤne Magelone.
All ihr ſuͤßen Bluͤmelein,
Sei es Farbe, ſeis Geſtalt,
Mahlt mit liebender Gewalt
Meiner Liebſten hellen Schein,
Zankt nicht, zarte Bluͤmelein.
Roſen, duftende Narziſſen,
Alle Blumen ſchoͤner prangen,
Wenn ſie ihren Buſen kuͤſſen
Oder in den Locken hangen,
Blaue Veilchen, bunte Nelken,
Wenn ſie ſie zur Zierde pfluͤckt,
Muͤſſen gern als Putz verwelken,
Durch den ſuͤßen Tod begluͤckt.
Lehrer ſind mir dieſe Bluͤthen,
Und ich thue wie ſie thun,
Folge ihnen, wie ſie riethen,
Ach! ich will gern alles bieten,
Kann ich ihr am Buſen ruhn.
Nicht auf Jahre ſie erwerben,
Nein, nur kurze, kleine Zeit,
Dann in ihren Armen ſterben,
Sterben ohne Wunſch und Neid.
Ach! wie manche Blume klaget
Einſam hier im ſtillen Thal,
Sie verwelket eh es taget,
Stirbt beim erſten Sonnenſtrahl:
Ach, ſo bitter herzlich naget
Auch an mir die ſcharfe Qual,
Daß ich ſie und all mein Gluͤcke,
Nimmer, nimmermehr erblicke.
Er weinte heftig, indem er die letzten Worte
ſang, denn er glaubte ſein Herz zu verſtehn, das
I. [ 25 ]
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