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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Die schöne Magelone.
O hört mich ihr gütigen Sterne,
O höre mich, grünende Flur,
Du, Liebe, den heiligen Schwur:
Bleib ich ihr ferne,
Sterb ich gerne.
Ach! nur im Licht von ihrem Blick
Wohnt Leben und Hofnung und Glück!

Er hatte sich selber etwas getröstet, und schwur
sich, Magelonens Liebe zu erwerben, oder unter-
zugehn. Spät in der Nacht ging er nach Hause
und setzte sich in seinem Zimmer nieder, und sprach
sich jedes Wort wieder vor, das sie ihm gesagt
hatte; bald glaubte er Ursach zu finden, sich zu
freuen, dann wurde er wieder betrübt, und war
von neuem in Zweifel. Er wollte seinem Vater
schreiben und richtete in Gedanken die Worte an
Magelonen, und trauerte dann über seine Zerstreu-
ung, daß er es wage, ihr zu schreiben, die er nicht
kenne. Nun erschrack er vor dem Gedanken, daß
ihm das Wesen fremd sey, welches er vor allen
übrigen in der Welt so unaussprechlich theuer liebe.

Ein süßer Schlummer überraschte ihn endlich
und durchstrich seine Zweifel und Schmerzen, und
wunderbare Träume von Liebe und Entführun-
gen, einsamen Wäldern und Stürmen auf dem
Meere, tanzten in seinem Gemach auf und nieder,
und bedeckten wie schöne bunte Tapeten die leeren
Wände.



Die ſchoͤne Magelone.
O hoͤrt mich ihr guͤtigen Sterne,
O hoͤre mich, gruͤnende Flur,
Du, Liebe, den heiligen Schwur:
Bleib ich ihr ferne,
Sterb ich gerne.
Ach! nur im Licht von ihrem Blick
Wohnt Leben und Hofnung und Gluͤck!

Er hatte ſich ſelber etwas getroͤſtet, und ſchwur
ſich, Magelonens Liebe zu erwerben, oder unter-
zugehn. Spaͤt in der Nacht ging er nach Hauſe
und ſetzte ſich in ſeinem Zimmer nieder, und ſprach
ſich jedes Wort wieder vor, das ſie ihm geſagt
hatte; bald glaubte er Urſach zu finden, ſich zu
freuen, dann wurde er wieder betruͤbt, und war
von neuem in Zweifel. Er wollte ſeinem Vater
ſchreiben und richtete in Gedanken die Worte an
Magelonen, und trauerte dann uͤber ſeine Zerſtreu-
ung, daß er es wage, ihr zu ſchreiben, die er nicht
kenne. Nun erſchrack er vor dem Gedanken, daß
ihm das Weſen fremd ſey, welches er vor allen
uͤbrigen in der Welt ſo unausſprechlich theuer liebe.

Ein ſuͤßer Schlummer uͤberraſchte ihn endlich
und durchſtrich ſeine Zweifel und Schmerzen, und
wunderbare Traͤume von Liebe und Entfuͤhrun-
gen, einſamen Waͤldern und Stuͤrmen auf dem
Meere, tanzten in ſeinem Gemach auf und nieder,
und bedeckten wie ſchoͤne bunte Tapeten die leeren
Waͤnde.



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[339/0350] Die ſchoͤne Magelone. O hoͤrt mich ihr guͤtigen Sterne, O hoͤre mich, gruͤnende Flur, Du, Liebe, den heiligen Schwur: Bleib ich ihr ferne, Sterb ich gerne. Ach! nur im Licht von ihrem Blick Wohnt Leben und Hofnung und Gluͤck! Er hatte ſich ſelber etwas getroͤſtet, und ſchwur ſich, Magelonens Liebe zu erwerben, oder unter- zugehn. Spaͤt in der Nacht ging er nach Hauſe und ſetzte ſich in ſeinem Zimmer nieder, und ſprach ſich jedes Wort wieder vor, das ſie ihm geſagt hatte; bald glaubte er Urſach zu finden, ſich zu freuen, dann wurde er wieder betruͤbt, und war von neuem in Zweifel. Er wollte ſeinem Vater ſchreiben und richtete in Gedanken die Worte an Magelonen, und trauerte dann uͤber ſeine Zerſtreu- ung, daß er es wage, ihr zu ſchreiben, die er nicht kenne. Nun erſchrack er vor dem Gedanken, daß ihm das Weſen fremd ſey, welches er vor allen uͤbrigen in der Welt ſo unausſprechlich theuer liebe. Ein ſuͤßer Schlummer uͤberraſchte ihn endlich und durchſtrich ſeine Zweifel und Schmerzen, und wunderbare Traͤume von Liebe und Entfuͤhrun- gen, einſamen Waͤldern und Stuͤrmen auf dem Meere, tanzten in ſeinem Gemach auf und nieder, und bedeckten wie ſchoͤne bunte Tapeten die leeren Waͤnde.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/350>, abgerufen am 21.11.2024.