dient eine wunderliche Außenseite nur zum noth- wendigen Gegengewicht eines gehaltvollen, oft fast melankolischen Innern, und zu diesen scheint mir unser Freund zu gehören.
Ich habe ihn schon im vorigen Jahre gesehn, sagte Anton, und ihn gar nicht verändert gefun- den, er ist eher jünger geworden; seine Haus- haltung mit seiner Frau und ihrer jüngern Schwester Clara, mit seiner eignen Schwester und Schwiegermutter ist die liebenswürdigste, die ich noch gesehn habe, so wie sein Landgut die schönste Lage im ganzen Gebirge hat: ihr thätet klug, mich dahin zu begleiten, was sich auch sehr gut mit deinen gelehrten antiquarischen Untersuchungen vereinigen läßt.
Er muß! rief Theodor, oder ich laß ihn im Stich der gothischen, oder, wie er will, alt- deutschen Spitzgewölbe.
Darüber läßt sich noch sprechen, sagte Ernst halb zweifelnd; da ihm aber Anton noch erzählte, daß sie im nächsten Städtchen die beiden längst gesuchten Freunde Lothar und Friedrich finden würden, die ihn erwarteten, um mit ihm zum gemeinschaftlichen Freunde Manfred zu reisen, und sich einige Wochen bei diesem aufzuhalten, so ließ sich Ernst bewegen, seine Antiquitäten, auch noch so lange beiseit zu thun, um nach vielen Jahren einmal wieder im Kreise seiner Geliebten eine neue Jugend zu leben, und die alten theuern Erinnerungen seinem Herzen zu erwecken.
Einleitung.
dient eine wunderliche Außenſeite nur zum noth- wendigen Gegengewicht eines gehaltvollen, oft faſt melankoliſchen Innern, und zu dieſen ſcheint mir unſer Freund zu gehoͤren.
Ich habe ihn ſchon im vorigen Jahre geſehn, ſagte Anton, und ihn gar nicht veraͤndert gefun- den, er iſt eher juͤnger geworden; ſeine Haus- haltung mit ſeiner Frau und ihrer juͤngern Schweſter Clara, mit ſeiner eignen Schweſter und Schwiegermutter iſt die liebenswuͤrdigſte, die ich noch geſehn habe, ſo wie ſein Landgut die ſchoͤnſte Lage im ganzen Gebirge hat: ihr thaͤtet klug, mich dahin zu begleiten, was ſich auch ſehr gut mit deinen gelehrten antiquariſchen Unterſuchungen vereinigen laͤßt.
Er muß! rief Theodor, oder ich laß ihn im Stich der gothiſchen, oder, wie er will, alt- deutſchen Spitzgewoͤlbe.
Daruͤber laͤßt ſich noch ſprechen, ſagte Ernſt halb zweifelnd; da ihm aber Anton noch erzaͤhlte, daß ſie im naͤchſten Staͤdtchen die beiden laͤngſt geſuchten Freunde Lothar und Friedrich finden wuͤrden, die ihn erwarteten, um mit ihm zum gemeinſchaftlichen Freunde Manfred zu reiſen, und ſich einige Wochen bei dieſem aufzuhalten, ſo ließ ſich Ernſt bewegen, ſeine Antiquitaͤten, auch noch ſo lange beiſeit zu thun, um nach vielen Jahren einmal wieder im Kreiſe ſeiner Geliebten eine neue Jugend zu leben, und die alten theuern Erinnerungen ſeinem Herzen zu erwecken.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="20"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
dient eine wunderliche Außenſeite nur zum noth-<lb/>
wendigen Gegengewicht eines gehaltvollen, oft<lb/>
faſt melankoliſchen Innern, und zu dieſen ſcheint<lb/>
mir unſer Freund zu gehoͤren.</p><lb/><p>Ich habe ihn ſchon im vorigen Jahre geſehn,<lb/>ſagte Anton, und ihn gar nicht veraͤndert gefun-<lb/>
den, er iſt eher juͤnger geworden; ſeine Haus-<lb/>
haltung mit ſeiner Frau und ihrer juͤngern<lb/>
Schweſter Clara, mit ſeiner eignen Schweſter<lb/>
und Schwiegermutter iſt die liebenswuͤrdigſte,<lb/>
die ich noch geſehn habe, ſo wie ſein Landgut<lb/>
die ſchoͤnſte Lage im ganzen Gebirge hat: ihr<lb/>
thaͤtet klug, mich dahin zu begleiten, was ſich<lb/>
auch ſehr gut mit deinen gelehrten antiquariſchen<lb/>
Unterſuchungen vereinigen laͤßt.</p><lb/><p>Er muß! rief Theodor, oder ich laß ihn<lb/>
im Stich der gothiſchen, oder, wie er will, alt-<lb/>
deutſchen Spitzgewoͤlbe.</p><lb/><p>Daruͤber laͤßt ſich noch ſprechen, ſagte Ernſt<lb/>
halb zweifelnd; da ihm aber Anton noch erzaͤhlte,<lb/>
daß ſie im naͤchſten Staͤdtchen die beiden laͤngſt<lb/>
geſuchten Freunde Lothar und Friedrich finden<lb/>
wuͤrden, die ihn erwarteten, um mit ihm zum<lb/>
gemeinſchaftlichen Freunde Manfred zu reiſen,<lb/>
und ſich einige Wochen bei dieſem aufzuhalten,<lb/>ſo ließ ſich Ernſt bewegen, ſeine Antiquitaͤten,<lb/>
auch noch ſo lange beiſeit zu thun, um nach<lb/>
vielen Jahren einmal wieder im Kreiſe ſeiner<lb/>
Geliebten eine neue Jugend zu leben, und die alten<lb/>
theuern Erinnerungen ſeinem Herzen zu erwecken.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[20/0031]
Einleitung.
dient eine wunderliche Außenſeite nur zum noth-
wendigen Gegengewicht eines gehaltvollen, oft
faſt melankoliſchen Innern, und zu dieſen ſcheint
mir unſer Freund zu gehoͤren.
Ich habe ihn ſchon im vorigen Jahre geſehn,
ſagte Anton, und ihn gar nicht veraͤndert gefun-
den, er iſt eher juͤnger geworden; ſeine Haus-
haltung mit ſeiner Frau und ihrer juͤngern
Schweſter Clara, mit ſeiner eignen Schweſter
und Schwiegermutter iſt die liebenswuͤrdigſte,
die ich noch geſehn habe, ſo wie ſein Landgut
die ſchoͤnſte Lage im ganzen Gebirge hat: ihr
thaͤtet klug, mich dahin zu begleiten, was ſich
auch ſehr gut mit deinen gelehrten antiquariſchen
Unterſuchungen vereinigen laͤßt.
Er muß! rief Theodor, oder ich laß ihn
im Stich der gothiſchen, oder, wie er will, alt-
deutſchen Spitzgewoͤlbe.
Daruͤber laͤßt ſich noch ſprechen, ſagte Ernſt
halb zweifelnd; da ihm aber Anton noch erzaͤhlte,
daß ſie im naͤchſten Staͤdtchen die beiden laͤngſt
geſuchten Freunde Lothar und Friedrich finden
wuͤrden, die ihn erwarteten, um mit ihm zum
gemeinſchaftlichen Freunde Manfred zu reiſen,
und ſich einige Wochen bei dieſem aufzuhalten,
ſo ließ ſich Ernſt bewegen, ſeine Antiquitaͤten,
auch noch ſo lange beiſeit zu thun, um nach
vielen Jahren einmal wieder im Kreiſe ſeiner
Geliebten eine neue Jugend zu leben, und die alten
theuern Erinnerungen ſeinem Herzen zu erwecken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/31>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.