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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.

Es schien aber seine Verdamniß zu seyn, gerade
in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu schö-
pfen, denn kaum waren sie in den Saal getreten,
als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen
seines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein hämi-
sches Lächeln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er
nur wenig mit ihm spreche, daß er mit den An-
wesenden viel rede, und seiner gar nicht zu achten
scheine. Ein alter Ritter war in der Gesellschaft,
der sich immer als den Gegner Eckberts gezeigt,
und sich oft nach seinem Reichthum und seiner Frau
auf eine eigne Weise erkundigt hatte; zu diesem
gesellte sich Hugo, und beide sprachen eine Zeitlang
heimlich, in dem sie nach Eckbert hindeuteten. Die-
ser sah jetzt seinen Argwohn bestätigt, er glaubte
sich verrathen, und eine schreckliche Wuth bemei-
sterte sich seiner. Indem er noch immer hinstarrte,
sah er plötzlich Walthers Gesicht, alle seine Mi-
nen, die ganze, ihm so wohl bekannte Gestalt, er
sah noch immer hin und ward überzeugt, daß Nie-
mand als Walther mit dem Alten spreche. --
Sein Entsetzen war unbeschreiblich; außer sich stürzte
er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt,
und kehrte nach vielen Irrwegen auf seine Burg
zurück.

Wie ein unruhiger Geist eilte er jetzt von Ge-
mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand,
er verfiel von entsetzlichen Vorstellungen auf noch
entsetzlichere, und kein Schlaf kam in seine Augen,
Oft dachte er, daß er wahnsinnig sey, und sich nur
selber durch seine Einbildung alles erschaffe; dann

Erſte Abtheilung.

Es ſchien aber ſeine Verdamniß zu ſeyn, gerade
in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu ſchoͤ-
pfen, denn kaum waren ſie in den Saal getreten,
als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen
ſeines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein haͤmi-
ſches Laͤcheln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er
nur wenig mit ihm ſpreche, daß er mit den An-
weſenden viel rede, und ſeiner gar nicht zu achten
ſcheine. Ein alter Ritter war in der Geſellſchaft,
der ſich immer als den Gegner Eckberts gezeigt,
und ſich oft nach ſeinem Reichthum und ſeiner Frau
auf eine eigne Weiſe erkundigt hatte; zu dieſem
geſellte ſich Hugo, und beide ſprachen eine Zeitlang
heimlich, in dem ſie nach Eckbert hindeuteten. Die-
ſer ſah jetzt ſeinen Argwohn beſtaͤtigt, er glaubte
ſich verrathen, und eine ſchreckliche Wuth bemei-
ſterte ſich ſeiner. Indem er noch immer hinſtarrte,
ſah er ploͤtzlich Walthers Geſicht, alle ſeine Mi-
nen, die ganze, ihm ſo wohl bekannte Geſtalt, er
ſah noch immer hin und ward uͤberzeugt, daß Nie-
mand als Walther mit dem Alten ſpreche. —
Sein Entſetzen war unbeſchreiblich; außer ſich ſtuͤrzte
er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt,
und kehrte nach vielen Irrwegen auf ſeine Burg
zuruͤck.

Wie ein unruhiger Geiſt eilte er jetzt von Ge-
mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand,
er verfiel von entſetzlichen Vorſtellungen auf noch
entſetzlichere, und kein Schlaf kam in ſeine Augen,
Oft dachte er, daß er wahnſinnig ſey, und ſich nur
ſelber durch ſeine Einbildung alles erſchaffe; dann

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[190/0201] Erſte Abtheilung. Es ſchien aber ſeine Verdamniß zu ſeyn, gerade in der Stunde des Vertrauens Argwohn zu ſchoͤ- pfen, denn kaum waren ſie in den Saal getreten, als ihm beim Schein der vielen Lichter die Mienen ſeines Freundes nicht gefielen. Er glaubte ein haͤmi- ſches Laͤcheln zu bemerken, es fiel ihm auf, daß er nur wenig mit ihm ſpreche, daß er mit den An- weſenden viel rede, und ſeiner gar nicht zu achten ſcheine. Ein alter Ritter war in der Geſellſchaft, der ſich immer als den Gegner Eckberts gezeigt, und ſich oft nach ſeinem Reichthum und ſeiner Frau auf eine eigne Weiſe erkundigt hatte; zu dieſem geſellte ſich Hugo, und beide ſprachen eine Zeitlang heimlich, in dem ſie nach Eckbert hindeuteten. Die- ſer ſah jetzt ſeinen Argwohn beſtaͤtigt, er glaubte ſich verrathen, und eine ſchreckliche Wuth bemei- ſterte ſich ſeiner. Indem er noch immer hinſtarrte, ſah er ploͤtzlich Walthers Geſicht, alle ſeine Mi- nen, die ganze, ihm ſo wohl bekannte Geſtalt, er ſah noch immer hin und ward uͤberzeugt, daß Nie- mand als Walther mit dem Alten ſpreche. — Sein Entſetzen war unbeſchreiblich; außer ſich ſtuͤrzte er hinaus, verließ noch in der Nacht die Stadt, und kehrte nach vielen Irrwegen auf ſeine Burg zuruͤck. Wie ein unruhiger Geiſt eilte er jetzt von Ge- mach zu Gemach, kein Gedanke hielt ihm Stand, er verfiel von entſetzlichen Vorſtellungen auf noch entſetzlichere, und kein Schlaf kam in ſeine Augen, Oft dachte er, daß er wahnſinnig ſey, und ſich nur ſelber durch ſeine Einbildung alles erſchaffe; dann

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/201>, abgerufen am 22.11.2024.