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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Phantasus.

Gedenke mein, laß nicht mein Leben
Als liebeleeren Traum verschweben.
Gebietend hob sie auf die Hand,
Da kamen aus dem grünen Land,
Von Bergen, aus dem niedern Thal,
Die Geister wimmelnd ohne Zahl,
Aus Bächen huben sie sich schnell
Und leuchteten von Schimmern hell,
Die Bäume thaten all sich auf,
Es sprangen vor mit munterm Lauf
Die zarten Elfen, und aus kleinen
Blümlein wollten sie auch erscheinen,
Gar klein gestalt, in Farben bunt,
Da sang ein tausendfacher Mund
Der hohen Göttin Lob und Dank,
Gar wundersam war der Gesang,
Sie sonnten sich in ihren Lächeln
Berauscht von ihres Othems Fächeln.
Da wandt' sich Phantasus zu mir:
Nun, Werther, wie gefällts dir hier?
Ich wollte sprechen: seeliglich
Dünkt mir dies Leben sicherlich, --
Doch nahm der allergrößte Schreck
Mir plötzlich Stimm' und Othem weg:
Was ich für Grott' und Berg gehalten,
Für Wald und Flur und Felsgestalten,
Das war ein einzigs großes Haupt,
Statt Haar und Bart mit Wald umlaubt,
Still lächelt' er, daß seine Kind
In Spielen glücklich vor ihm sind,
Er winkt, und ahndungsvolles Brausen

Phantaſus.

Gedenke mein, laß nicht mein Leben
Als liebeleeren Traum verſchweben.
Gebietend hob ſie auf die Hand,
Da kamen aus dem gruͤnen Land,
Von Bergen, aus dem niedern Thal,
Die Geiſter wimmelnd ohne Zahl,
Aus Baͤchen huben ſie ſich ſchnell
Und leuchteten von Schimmern hell,
Die Baͤume thaten all ſich auf,
Es ſprangen vor mit munterm Lauf
Die zarten Elfen, und aus kleinen
Bluͤmlein wollten ſie auch erſcheinen,
Gar klein geſtalt, in Farben bunt,
Da ſang ein tauſendfacher Mund
Der hohen Goͤttin Lob und Dank,
Gar wunderſam war der Geſang,
Sie ſonnten ſich in ihren Laͤcheln
Berauſcht von ihres Othems Faͤcheln.
Da wandt' ſich Phantaſus zu mir:
Nun, Werther, wie gefaͤllts dir hier?
Ich wollte ſprechen: ſeeliglich
Duͤnkt mir dies Leben ſicherlich, —
Doch nahm der allergroͤßte Schreck
Mir ploͤtzlich Stimm' und Othem weg:
Was ich fuͤr Grott' und Berg gehalten,
Fuͤr Wald und Flur und Felsgeſtalten,
Das war ein einzigs großes Haupt,
Statt Haar und Bart mit Wald umlaubt,
Still laͤchelt' er, daß ſeine Kind
In Spielen gluͤcklich vor ihm ſind,
Er winkt, und ahndungsvolles Brauſen

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[163/0174] Phantaſus. Gedenke mein, laß nicht mein Leben Als liebeleeren Traum verſchweben. Gebietend hob ſie auf die Hand, Da kamen aus dem gruͤnen Land, Von Bergen, aus dem niedern Thal, Die Geiſter wimmelnd ohne Zahl, Aus Baͤchen huben ſie ſich ſchnell Und leuchteten von Schimmern hell, Die Baͤume thaten all ſich auf, Es ſprangen vor mit munterm Lauf Die zarten Elfen, und aus kleinen Bluͤmlein wollten ſie auch erſcheinen, Gar klein geſtalt, in Farben bunt, Da ſang ein tauſendfacher Mund Der hohen Goͤttin Lob und Dank, Gar wunderſam war der Geſang, Sie ſonnten ſich in ihren Laͤcheln Berauſcht von ihres Othems Faͤcheln. Da wandt' ſich Phantaſus zu mir: Nun, Werther, wie gefaͤllts dir hier? Ich wollte ſprechen: ſeeliglich Duͤnkt mir dies Leben ſicherlich, — Doch nahm der allergroͤßte Schreck Mir ploͤtzlich Stimm' und Othem weg: Was ich fuͤr Grott' und Berg gehalten, Fuͤr Wald und Flur und Felsgeſtalten, Das war ein einzigs großes Haupt, Statt Haar und Bart mit Wald umlaubt, Still laͤchelt' er, daß ſeine Kind In Spielen gluͤcklich vor ihm ſind, Er winkt, und ahndungsvolles Brauſen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/174>, abgerufen am 03.05.2024.