nachtheilig und feindlich, oder hebt unsre Liebe und hohe Rührung auf, sondern wir können den heiligen Wahnsinn der großen Religionshel- den bewundernd beweinen, und doch kann ein geheimes Lächeln über der Verehrung schweben, denn diese seltsame Regung erhebt sich zugleich mit allen Kräften aus den Tiefen der Seele; wir fühlen, wie so vielen Gemüthern das, was wir anbeten, nur belachenswerth sein dürfte, und weil diese vor den Augen unsers äußern Verstandes nicht Unrecht haben, und sich für diesen Zweifel auch eine geheime Sympathie in unserm innersten Wesen regt, so eilen wir so dringender mit unserer Verehrung und unserem Mitleid hülfreich und rettend hinzu, um in angst- voller Liebe an dem Gegenstande unsrer Bewun- derung ein höheres Recht auszuüben. Der alte Ausdruck von den Helden der Religion: "sie haben sich zu Thoren gemacht vor der Welt," ist vortreflich.
Gewiß, sagte Manfred, ist das Lächerliche in seiner Tiefe noch niemals angeschaut und die wunderbare Natur des Witzes auch nur einiger- maßen erklärt; wer wird uns denn noch einmal etwas deutlicheres darüber sagen können, warum wir lachen? Das Lachen an sich selbst ist den meisten Menschen nur eine leichte Sache, aber woher es kommt und wohin es geht ist noch schwerer als vom Winde zu sagen. Hier hatte ich meinen Jean Paul in seiner Vorhalle zur
Einleitung.
nachtheilig und feindlich, oder hebt unſre Liebe und hohe Ruͤhrung auf, ſondern wir koͤnnen den heiligen Wahnſinn der großen Religionshel- den bewundernd beweinen, und doch kann ein geheimes Laͤcheln uͤber der Verehrung ſchweben, denn dieſe ſeltſame Regung erhebt ſich zugleich mit allen Kraͤften aus den Tiefen der Seele; wir fuͤhlen, wie ſo vielen Gemuͤthern das, was wir anbeten, nur belachenswerth ſein duͤrfte, und weil dieſe vor den Augen unſers aͤußern Verſtandes nicht Unrecht haben, und ſich fuͤr dieſen Zweifel auch eine geheime Sympathie in unſerm innerſten Weſen regt, ſo eilen wir ſo dringender mit unſerer Verehrung und unſerem Mitleid huͤlfreich und rettend hinzu, um in angſt- voller Liebe an dem Gegenſtande unſrer Bewun- derung ein hoͤheres Recht auszuuͤben. Der alte Ausdruck von den Helden der Religion: „ſie haben ſich zu Thoren gemacht vor der Welt,“ iſt vortreflich.
Gewiß, ſagte Manfred, iſt das Laͤcherliche in ſeiner Tiefe noch niemals angeſchaut und die wunderbare Natur des Witzes auch nur einiger- maßen erklaͤrt; wer wird uns denn noch einmal etwas deutlicheres daruͤber ſagen koͤnnen, warum wir lachen? Das Lachen an ſich ſelbſt iſt den meiſten Menſchen nur eine leichte Sache, aber woher es kommt und wohin es geht iſt noch ſchwerer als vom Winde zu ſagen. Hier hatte ich meinen Jean Paul in ſeiner Vorhalle zur
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Einleitung.
nachtheilig und feindlich, oder hebt unſre Liebe
und hohe Ruͤhrung auf, ſondern wir koͤnnen
den heiligen Wahnſinn der großen Religionshel-
den bewundernd beweinen, und doch kann ein
geheimes Laͤcheln uͤber der Verehrung ſchweben,
denn dieſe ſeltſame Regung erhebt ſich zugleich
mit allen Kraͤften aus den Tiefen der Seele;
wir fuͤhlen, wie ſo vielen Gemuͤthern das, was
wir anbeten, nur belachenswerth ſein duͤrfte,
und weil dieſe vor den Augen unſers aͤußern
Verſtandes nicht Unrecht haben, und ſich fuͤr
dieſen Zweifel auch eine geheime Sympathie in
unſerm innerſten Weſen regt, ſo eilen wir ſo
dringender mit unſerer Verehrung und unſerem
Mitleid huͤlfreich und rettend hinzu, um in angſt-
voller Liebe an dem Gegenſtande unſrer Bewun-
derung ein hoͤheres Recht auszuuͤben. Der alte
Ausdruck von den Helden der Religion: „ſie
haben ſich zu Thoren gemacht vor der Welt,“
iſt vortreflich.
Gewiß, ſagte Manfred, iſt das Laͤcherliche
in ſeiner Tiefe noch niemals angeſchaut und die
wunderbare Natur des Witzes auch nur einiger-
maßen erklaͤrt; wer wird uns denn noch einmal
etwas deutlicheres daruͤber ſagen koͤnnen, warum
wir lachen? Das Lachen an ſich ſelbſt iſt den
meiſten Menſchen nur eine leichte Sache, aber
woher es kommt und wohin es geht iſt noch
ſchwerer als vom Winde zu ſagen. Hier hatte
ich meinen Jean Paul in ſeiner Vorhalle zur
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/125>, abgerufen am 16.02.2025.
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