Ich bin sehr erhitzt, weil ich einige Näch- te nicht geschlafen habe, und ich weiß nicht genau was ich niederschreibe. --
Um Mitternacht eröffnete ich Lovell's ver- schlossenes Zimmer. Es war alles still im Hau- se, die Bedienten schliefen, ich hatte die Schlüs- sel zu mir gesteckt, und eine Laterne angezün- det. Ich sagte ihm er solle mir folgen, weil er in meinem Hause nicht mehr sicher sey. Er antwortete nichts, sondern betrachtete mich mit einem düstern Blicke und stand auf.
Wir gingen über die schallenden Gänge, und ich sah mich zuweilen nach ihm um; ein bleicher Schein meines Lichtes fiel auf sein Ge- sicht, und entstellte es auf eine wunderbare Weise. -- Ich schloß das Haus auf, und wie- der hinter mir zu. Der Himmel war dick und schwarz rund umher bezogen.
Wie im Traume ging ich mit ihm fort, keiner von uns ließ einen Laut vernehmen, wie zwey Gespenster schlichen wir durch den Garten. -- Es war mir wunderbar, als wir den Lauben und den Bänken vorübergingen, wo ich so oft mit
Ich bin ſehr erhitzt, weil ich einige Naͤch- te nicht geſchlafen habe, und ich weiß nicht genau was ich niederſchreibe. —
Um Mitternacht eroͤffnete ich Lovell's ver- ſchloſſenes Zimmer. Es war alles ſtill im Hau- ſe, die Bedienten ſchliefen, ich hatte die Schluͤſ- ſel zu mir geſteckt, und eine Laterne angezuͤn- det. Ich ſagte ihm er ſolle mir folgen, weil er in meinem Hauſe nicht mehr ſicher ſey. Er antwortete nichts, ſondern betrachtete mich mit einem duͤſtern Blicke und ſtand auf.
Wir gingen uͤber die ſchallenden Gaͤnge, und ich ſah mich zuweilen nach ihm um; ein bleicher Schein meines Lichtes fiel auf ſein Ge- ſicht, und entſtellte es auf eine wunderbare Weiſe. — Ich ſchloß das Haus auf, und wie- der hinter mir zu. Der Himmel war dick und ſchwarz rund umher bezogen.
Wie im Traume ging ich mit ihm fort, keiner von uns ließ einen Laut vernehmen, wie zwey Geſpenſter ſchlichen wir durch den Garten. — Es war mir wunderbar, als wir den Lauben und den Baͤnken voruͤbergingen, wo ich ſo oft mit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0075"n="68"/><p>Ich bin ſehr erhitzt, weil ich einige Naͤch-<lb/>
te nicht geſchlafen habe, und ich weiß nicht<lb/>
genau was ich niederſchreibe. —</p><lb/><p>Um Mitternacht eroͤffnete ich Lovell's ver-<lb/>ſchloſſenes Zimmer. Es war alles ſtill im Hau-<lb/>ſe, die Bedienten ſchliefen, ich hatte die Schluͤſ-<lb/>ſel zu mir geſteckt, und eine Laterne angezuͤn-<lb/>
det. Ich ſagte ihm er ſolle mir folgen, weil<lb/>
er in meinem Hauſe nicht mehr ſicher ſey. Er<lb/>
antwortete nichts, ſondern betrachtete mich mit<lb/>
einem duͤſtern Blicke und ſtand auf.</p><lb/><p>Wir gingen uͤber die ſchallenden Gaͤnge,<lb/>
und ich ſah mich zuweilen nach ihm um; ein<lb/>
bleicher Schein meines Lichtes fiel auf ſein Ge-<lb/>ſicht, und entſtellte es auf eine wunderbare<lb/>
Weiſe. — Ich ſchloß das Haus auf, und wie-<lb/>
der hinter mir zu. Der Himmel war dick und<lb/>ſchwarz rund umher bezogen.</p><lb/><p>Wie im Traume ging ich mit ihm fort,<lb/>
keiner von uns ließ einen Laut vernehmen, wie<lb/>
zwey Geſpenſter ſchlichen wir durch den Garten.<lb/>— Es war mir wunderbar, als wir den Lauben<lb/>
und den Baͤnken voruͤbergingen, wo ich ſo oft mit<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[68/0075]
Ich bin ſehr erhitzt, weil ich einige Naͤch-
te nicht geſchlafen habe, und ich weiß nicht
genau was ich niederſchreibe. —
Um Mitternacht eroͤffnete ich Lovell's ver-
ſchloſſenes Zimmer. Es war alles ſtill im Hau-
ſe, die Bedienten ſchliefen, ich hatte die Schluͤſ-
ſel zu mir geſteckt, und eine Laterne angezuͤn-
det. Ich ſagte ihm er ſolle mir folgen, weil
er in meinem Hauſe nicht mehr ſicher ſey. Er
antwortete nichts, ſondern betrachtete mich mit
einem duͤſtern Blicke und ſtand auf.
Wir gingen uͤber die ſchallenden Gaͤnge,
und ich ſah mich zuweilen nach ihm um; ein
bleicher Schein meines Lichtes fiel auf ſein Ge-
ſicht, und entſtellte es auf eine wunderbare
Weiſe. — Ich ſchloß das Haus auf, und wie-
der hinter mir zu. Der Himmel war dick und
ſchwarz rund umher bezogen.
Wie im Traume ging ich mit ihm fort,
keiner von uns ließ einen Laut vernehmen, wie
zwey Geſpenſter ſchlichen wir durch den Garten.
— Es war mir wunderbar, als wir den Lauben
und den Baͤnken voruͤbergingen, wo ich ſo oft mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/75>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.