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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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drangen in ihn, daß er reden sollte. Ich konn-
te bei diesem Anblicke meine Thränen nicht zu-
rückhalten, ich konnte nicht begreifen, wie sich
das Räthsel auflösen würde. -- Wie von einer
hohen Angst gedrückt, rief er nun plötzlich den
Nahmen Lovell aus. Ach! und der Ton schnitt
durch mein Herz, er sagte seinem Bruder ein
Paar Worte heimlich, -- alle erstarrten -- jener
fremde verstellte Kranke, -- Niemand anders als
Lovell war es, -- er hatte den Wein vergiftet.

Was ich in dieser Minute empfand kann ich
nicht beschreiben. Wie dürftig ich mich plötz-
lich fühlte, daß ich ein Mensch war! -- Ach,
Mortimer es giebt Stunden, im Leben, deren
Hefen selbst das höchste Glück nicht aus dem
Herzen wieder wegspühlen kann, das fühle ich
jetzt innig. -- Mein ganzes künftiges Leben
ist durch diesen Augenblick krank geworden; ein
Pfeil ist in meine Brust gedrungen, den ich
nicht wieder werde herausziehen können, ohne
zu verbluten.

Es war schrecklich, wie dem alten Willy
jetzt seine zu rasche That gereute, wie er dann
weinte und schluchzte, weil er den Nahmen sei-
nes Herrn genannt hatte, und wie er dann

drangen in ihn, daß er reden ſollte. Ich konn-
te bei dieſem Anblicke meine Thraͤnen nicht zu-
ruͤckhalten, ich konnte nicht begreifen, wie ſich
das Raͤthſel aufloͤſen wuͤrde. — Wie von einer
hohen Angſt gedruͤckt, rief er nun ploͤtzlich den
Nahmen Lovell aus. Ach! und der Ton ſchnitt
durch mein Herz, er ſagte ſeinem Bruder ein
Paar Worte heimlich, — alle erſtarrten — jener
fremde verſtellte Kranke, — Niemand anders als
Lovell war es, — er hatte den Wein vergiftet.

Was ich in dieſer Minute empfand kann ich
nicht beſchreiben. Wie duͤrftig ich mich ploͤtz-
lich fuͤhlte, daß ich ein Menſch war! — Ach,
Mortimer es giebt Stunden, im Leben, deren
Hefen ſelbſt das hoͤchſte Gluͤck nicht aus dem
Herzen wieder wegſpuͤhlen kann, das fuͤhle ich
jetzt innig. — Mein ganzes kuͤnftiges Leben
iſt durch dieſen Augenblick krank geworden; ein
Pfeil iſt in meine Bruſt gedrungen, den ich
nicht wieder werde herausziehen koͤnnen, ohne
zu verbluten.

Es war ſchrecklich, wie dem alten Willy
jetzt ſeine zu raſche That gereute, wie er dann
weinte und ſchluchzte, weil er den Nahmen ſei-
nes Herrn genannt hatte, und wie er dann

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[59/0066] drangen in ihn, daß er reden ſollte. Ich konn- te bei dieſem Anblicke meine Thraͤnen nicht zu- ruͤckhalten, ich konnte nicht begreifen, wie ſich das Raͤthſel aufloͤſen wuͤrde. — Wie von einer hohen Angſt gedruͤckt, rief er nun ploͤtzlich den Nahmen Lovell aus. Ach! und der Ton ſchnitt durch mein Herz, er ſagte ſeinem Bruder ein Paar Worte heimlich, — alle erſtarrten — jener fremde verſtellte Kranke, — Niemand anders als Lovell war es, — er hatte den Wein vergiftet. Was ich in dieſer Minute empfand kann ich nicht beſchreiben. Wie duͤrftig ich mich ploͤtz- lich fuͤhlte, daß ich ein Menſch war! — Ach, Mortimer es giebt Stunden, im Leben, deren Hefen ſelbſt das hoͤchſte Gluͤck nicht aus dem Herzen wieder wegſpuͤhlen kann, das fuͤhle ich jetzt innig. — Mein ganzes kuͤnftiges Leben iſt durch dieſen Augenblick krank geworden; ein Pfeil iſt in meine Bruſt gedrungen, den ich nicht wieder werde herausziehen koͤnnen, ohne zu verbluten. Es war ſchrecklich, wie dem alten Willy jetzt ſeine zu raſche That gereute, wie er dann weinte und ſchluchzte, weil er den Nahmen ſei- nes Herrn genannt hatte, und wie er dann

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/66>, abgerufen am 01.05.2024.