die mich vorzüglich anlockte. Man hatte mir so viel davon erzählt, ich hatte so oft behaupten hören, daß es ein außerordentlicher Mann seyn müsse, der an der Spitze einer solchen Gesell- schaft stehe, daß ich den Wunsch gar nicht un- terdrücken konnte, mich selbst zu einem ähnli- chen Oberhaupte aufzuwerfen. Die Menschen erschienen mir in einem so verächtlichen Lichte, daß ich es für die leichteste Sache von der Welt hielt, sie zu beherrschen, kurz, ich nahm mir vor, den Versuch anzustellen, mögte er gleich ausfallen, wie er wollte.
Ich hielt mich in Rom auf, und man hielt mich für einen eingebornen Italiäner. Mein seltsames, eingezogenes Wesen hatte schon die Aufmerksamkeit mancher Leute auf sich gerich- tet, man konnte aus mir nicht recht klug wer- den, und es geschah daher sehr bald, daß ich für einen interessanten, ja für einen äußerst interessanten Menschen ausgeschrien wurde, im Grunde nur, weil man nicht ausfindig machen konnte, in welcher Gegend ich geboren war und wovon ich lebte. Ich ward nach und nach mit manchen jüngern und ältern Leuten bekannter, und es ward mir nicht schwer, sie um mich zu
die mich vorzuͤglich anlockte. Man hatte mir ſo viel davon erzaͤhlt, ich hatte ſo oft behaupten hoͤren, daß es ein außerordentlicher Mann ſeyn muͤſſe, der an der Spitze einer ſolchen Geſell- ſchaft ſtehe, daß ich den Wunſch gar nicht un- terdruͤcken konnte, mich ſelbſt zu einem aͤhnli- chen Oberhaupte aufzuwerfen. Die Menſchen erſchienen mir in einem ſo veraͤchtlichen Lichte, daß ich es fuͤr die leichteſte Sache von der Welt hielt, ſie zu beherrſchen, kurz, ich nahm mir vor, den Verſuch anzuſtellen, moͤgte er gleich ausfallen, wie er wollte.
Ich hielt mich in Rom auf, und man hielt mich fuͤr einen eingebornen Italiaͤner. Mein ſeltſames, eingezogenes Weſen hatte ſchon die Aufmerkſamkeit mancher Leute auf ſich gerich- tet, man konnte aus mir nicht recht klug wer- den, und es geſchah daher ſehr bald, daß ich fuͤr einen intereſſanten, ja fuͤr einen aͤußerſt intereſſanten Menſchen ausgeſchrien wurde, im Grunde nur, weil man nicht ausfindig machen konnte, in welcher Gegend ich geboren war und wovon ich lebte. Ich ward nach und nach mit manchen juͤngern und aͤltern Leuten bekannter, und es ward mir nicht ſchwer, ſie um mich zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0450"n="443"/>
die mich vorzuͤglich anlockte. Man hatte mir ſo<lb/>
viel davon erzaͤhlt, ich hatte ſo oft behaupten<lb/>
hoͤren, daß es ein außerordentlicher Mann ſeyn<lb/>
muͤſſe, der an der Spitze einer ſolchen Geſell-<lb/>ſchaft ſtehe, daß ich den Wunſch gar nicht un-<lb/>
terdruͤcken konnte, mich ſelbſt zu einem aͤhnli-<lb/>
chen Oberhaupte aufzuwerfen. Die Menſchen<lb/>
erſchienen mir in einem ſo veraͤchtlichen Lichte,<lb/>
daß ich es fuͤr die leichteſte Sache von der<lb/>
Welt hielt, ſie zu beherrſchen, kurz, ich nahm<lb/>
mir vor, den Verſuch anzuſtellen, moͤgte er<lb/>
gleich ausfallen, wie er wollte.</p><lb/><p>Ich hielt mich in Rom auf, und man hielt<lb/>
mich fuͤr einen eingebornen Italiaͤner. Mein<lb/>ſeltſames, eingezogenes Weſen hatte ſchon die<lb/>
Aufmerkſamkeit mancher Leute auf ſich gerich-<lb/>
tet, man konnte aus mir nicht recht klug wer-<lb/>
den, und es geſchah daher ſehr bald, daß ich<lb/>
fuͤr einen intereſſanten, ja fuͤr einen aͤußerſt<lb/>
intereſſanten Menſchen ausgeſchrien wurde, im<lb/>
Grunde nur, weil man nicht ausfindig machen<lb/>
konnte, in welcher Gegend ich geboren war und<lb/>
wovon ich lebte. Ich ward nach und nach mit<lb/>
manchen juͤngern und aͤltern Leuten bekannter,<lb/>
und es ward mir nicht ſchwer, ſie um mich zu<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[443/0450]
die mich vorzuͤglich anlockte. Man hatte mir ſo
viel davon erzaͤhlt, ich hatte ſo oft behaupten
hoͤren, daß es ein außerordentlicher Mann ſeyn
muͤſſe, der an der Spitze einer ſolchen Geſell-
ſchaft ſtehe, daß ich den Wunſch gar nicht un-
terdruͤcken konnte, mich ſelbſt zu einem aͤhnli-
chen Oberhaupte aufzuwerfen. Die Menſchen
erſchienen mir in einem ſo veraͤchtlichen Lichte,
daß ich es fuͤr die leichteſte Sache von der
Welt hielt, ſie zu beherrſchen, kurz, ich nahm
mir vor, den Verſuch anzuſtellen, moͤgte er
gleich ausfallen, wie er wollte.
Ich hielt mich in Rom auf, und man hielt
mich fuͤr einen eingebornen Italiaͤner. Mein
ſeltſames, eingezogenes Weſen hatte ſchon die
Aufmerkſamkeit mancher Leute auf ſich gerich-
tet, man konnte aus mir nicht recht klug wer-
den, und es geſchah daher ſehr bald, daß ich
fuͤr einen intereſſanten, ja fuͤr einen aͤußerſt
intereſſanten Menſchen ausgeſchrien wurde, im
Grunde nur, weil man nicht ausfindig machen
konnte, in welcher Gegend ich geboren war und
wovon ich lebte. Ich ward nach und nach mit
manchen juͤngern und aͤltern Leuten bekannter,
und es ward mir nicht ſchwer, ſie um mich zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/450>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.