schen las, für einen ganz vorzüglichen Geist. Ich traute keiner andern Brust die Empfindun- gen zu, die wie eine sanftwechselnde Musik in meinem Herzen auf und niederstiegen. Diese Vorstellungen hoben mich über die ganze Natur hinaus, ich vergaß alle Dürftigkeiten des Le- bens und war nur in reinen Strahlen ein- heimisch.
Fast jeden Menschen beherrscht in der Zeit, wenn er vom Kinde zum Jünglinge übergeht, ein hoher Enthusiasmus; der ist glücklich, der sehr schnell den Zirkel aller täuschenden Empfin- dungen durchläuft, um endlich, wenn er die Runde gemacht hat, sich selber anzutreffen. Die hohe Reizbarkeit dient dazu, uns in tau- send Thorheiten zu verwickeln, aber auch, uns über diese Thorheiten zu belehren; je feinere Sinnlichkeit ein Mensch besitzt, um so eher ist es ihm möglich, recht früh klug zu werden.
Ich möchte den jugendlichen Enthusiasmus, so wie manches Andre im Menschen, nichts als eine Anlage nennen, die sich zur Geschicklich- keit ausbilden läßt. Es ist eine Kunst, die man sich durch Uebung erwirbt, keine von den Armseeligkeiten zu erblicken, die uns in der
C c 2
ſchen las, fuͤr einen ganz vorzuͤglichen Geiſt. Ich traute keiner andern Bruſt die Empfindun- gen zu, die wie eine ſanftwechſelnde Muſik in meinem Herzen auf und niederſtiegen. Dieſe Vorſtellungen hoben mich uͤber die ganze Natur hinaus, ich vergaß alle Duͤrftigkeiten des Le- bens und war nur in reinen Strahlen ein- heimiſch.
Faſt jeden Menſchen beherrſcht in der Zeit, wenn er vom Kinde zum Juͤnglinge uͤbergeht, ein hoher Enthuſiasmus; der iſt gluͤcklich, der ſehr ſchnell den Zirkel aller taͤuſchenden Empfin- dungen durchlaͤuft, um endlich, wenn er die Runde gemacht hat, ſich ſelber anzutreffen. Die hohe Reizbarkeit dient dazu, uns in tau- ſend Thorheiten zu verwickeln, aber auch, uns uͤber dieſe Thorheiten zu belehren; je feinere Sinnlichkeit ein Menſch beſitzt, um ſo eher iſt es ihm moͤglich, recht fruͤh klug zu werden.
Ich moͤchte den jugendlichen Enthuſiasmus, ſo wie manches Andre im Menſchen, nichts als eine Anlage nennen, die ſich zur Geſchicklich- keit ausbilden laͤßt. Es iſt eine Kunſt, die man ſich durch Uebung erwirbt, keine von den Armſeeligkeiten zu erblicken, die uns in der
C c 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0410"n="403"/>ſchen las, fuͤr einen ganz vorzuͤglichen Geiſt.<lb/>
Ich traute keiner andern Bruſt die Empfindun-<lb/>
gen zu, die wie eine ſanftwechſelnde Muſik in<lb/>
meinem Herzen auf und niederſtiegen. Dieſe<lb/>
Vorſtellungen hoben mich uͤber die ganze Natur<lb/>
hinaus, ich vergaß alle Duͤrftigkeiten des Le-<lb/>
bens und war nur in reinen Strahlen ein-<lb/>
heimiſch.</p><lb/><p>Faſt jeden Menſchen beherrſcht in der Zeit,<lb/>
wenn er vom Kinde zum Juͤnglinge uͤbergeht,<lb/>
ein hoher Enthuſiasmus; der iſt gluͤcklich, der<lb/>ſehr ſchnell den Zirkel aller taͤuſchenden Empfin-<lb/>
dungen durchlaͤuft, um endlich, wenn er die<lb/>
Runde gemacht hat, ſich ſelber anzutreffen.<lb/>
Die hohe Reizbarkeit dient dazu, uns in tau-<lb/>ſend Thorheiten zu verwickeln, aber auch, uns<lb/>
uͤber dieſe Thorheiten zu belehren; je feinere<lb/>
Sinnlichkeit ein Menſch beſitzt, um ſo eher iſt<lb/>
es ihm moͤglich, recht fruͤh klug zu werden.</p><lb/><p>Ich moͤchte den jugendlichen Enthuſiasmus,<lb/>ſo wie manches Andre im Menſchen, nichts als<lb/>
eine Anlage nennen, die ſich zur Geſchicklich-<lb/>
keit ausbilden laͤßt. Es iſt eine Kunſt, die<lb/>
man ſich durch Uebung erwirbt, keine von den<lb/>
Armſeeligkeiten zu erblicken, die uns in der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C c 2</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[403/0410]
ſchen las, fuͤr einen ganz vorzuͤglichen Geiſt.
Ich traute keiner andern Bruſt die Empfindun-
gen zu, die wie eine ſanftwechſelnde Muſik in
meinem Herzen auf und niederſtiegen. Dieſe
Vorſtellungen hoben mich uͤber die ganze Natur
hinaus, ich vergaß alle Duͤrftigkeiten des Le-
bens und war nur in reinen Strahlen ein-
heimiſch.
Faſt jeden Menſchen beherrſcht in der Zeit,
wenn er vom Kinde zum Juͤnglinge uͤbergeht,
ein hoher Enthuſiasmus; der iſt gluͤcklich, der
ſehr ſchnell den Zirkel aller taͤuſchenden Empfin-
dungen durchlaͤuft, um endlich, wenn er die
Runde gemacht hat, ſich ſelber anzutreffen.
Die hohe Reizbarkeit dient dazu, uns in tau-
ſend Thorheiten zu verwickeln, aber auch, uns
uͤber dieſe Thorheiten zu belehren; je feinere
Sinnlichkeit ein Menſch beſitzt, um ſo eher iſt
es ihm moͤglich, recht fruͤh klug zu werden.
Ich moͤchte den jugendlichen Enthuſiasmus,
ſo wie manches Andre im Menſchen, nichts als
eine Anlage nennen, die ſich zur Geſchicklich-
keit ausbilden laͤßt. Es iſt eine Kunſt, die
man ſich durch Uebung erwirbt, keine von den
Armſeeligkeiten zu erblicken, die uns in der
C c 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/410>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.