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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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leicht die Freude, daß unsre Kinder sich ver-
heirathen. Doch, ich will mir das nicht in
den Kopf setzen, wenn diese Kinder nicht selbst
auf den Gedanken kommen sollten, wenn sie
nehmlich die Zeit erleben, in der der Mensch
sich verlieben muß. Man sollte überhaupt keine
Plane für die Zukunft machen, am wenigsten
solche, deren Ausführung nicht von uns selber
abhängt. -- Ich bemerke aber, daß ich, seit
ich Vater geworden bin, unaufhörlich in Sen-
tenzen spreche; eine Sache, die ich sonst nie
an einem andern Menschen leiden konnte, denn
es ist im Grunde nichts weiter, als die Sucht,
sich selbst immer in kleine Stücke zu zersägen
und beständig Proben von unsrer Vortreflichkeit
herumzureichen: unsern Geist in vielen Silhouet-
ten abzuzeichnen und diese dann aus dem Fen-
ster an die Vorübergehenden auszutheilen. Dies
ist die Schwäche, wodurch manche Menschen so
unausstehlich werden, als ein moralischer
Schriftsteller im Umgange nur seyn kann, der
uns immer seine längstvergessenen Bücher re-
petirt.

Jetzt will ich auf Ihren Vorschlag kom-
men. Der Gedanke ist mir gewiß eben so er-

leicht die Freude, daß unſre Kinder ſich ver-
heirathen. Doch, ich will mir das nicht in
den Kopf ſetzen, wenn dieſe Kinder nicht ſelbſt
auf den Gedanken kommen ſollten, wenn ſie
nehmlich die Zeit erleben, in der der Menſch
ſich verlieben muß. Man ſollte uͤberhaupt keine
Plane fuͤr die Zukunft machen, am wenigſten
ſolche, deren Ausfuͤhrung nicht von uns ſelber
abhaͤngt. — Ich bemerke aber, daß ich, ſeit
ich Vater geworden bin, unaufhoͤrlich in Sen-
tenzen ſpreche; eine Sache, die ich ſonſt nie
an einem andern Menſchen leiden konnte, denn
es iſt im Grunde nichts weiter, als die Sucht,
ſich ſelbſt immer in kleine Stuͤcke zu zerſaͤgen
und beſtaͤndig Proben von unſrer Vortreflichkeit
herumzureichen: unſern Geiſt in vielen Silhouet-
ten abzuzeichnen und dieſe dann aus dem Fen-
ſter an die Voruͤbergehenden auszutheilen. Dies
iſt die Schwaͤche, wodurch manche Menſchen ſo
unausſtehlich werden, als ein moraliſcher
Schriftſteller im Umgange nur ſeyn kann, der
uns immer ſeine laͤngſtvergeſſenen Buͤcher re-
petirt.

Jetzt will ich auf Ihren Vorſchlag kom-
men. Der Gedanke iſt mir gewiß eben ſo er-

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[391/0398] leicht die Freude, daß unſre Kinder ſich ver- heirathen. Doch, ich will mir das nicht in den Kopf ſetzen, wenn dieſe Kinder nicht ſelbſt auf den Gedanken kommen ſollten, wenn ſie nehmlich die Zeit erleben, in der der Menſch ſich verlieben muß. Man ſollte uͤberhaupt keine Plane fuͤr die Zukunft machen, am wenigſten ſolche, deren Ausfuͤhrung nicht von uns ſelber abhaͤngt. — Ich bemerke aber, daß ich, ſeit ich Vater geworden bin, unaufhoͤrlich in Sen- tenzen ſpreche; eine Sache, die ich ſonſt nie an einem andern Menſchen leiden konnte, denn es iſt im Grunde nichts weiter, als die Sucht, ſich ſelbſt immer in kleine Stuͤcke zu zerſaͤgen und beſtaͤndig Proben von unſrer Vortreflichkeit herumzureichen: unſern Geiſt in vielen Silhouet- ten abzuzeichnen und dieſe dann aus dem Fen- ſter an die Voruͤbergehenden auszutheilen. Dies iſt die Schwaͤche, wodurch manche Menſchen ſo unausſtehlich werden, als ein moraliſcher Schriftſteller im Umgange nur ſeyn kann, der uns immer ſeine laͤngſtvergeſſenen Buͤcher re- petirt. Jetzt will ich auf Ihren Vorſchlag kom- men. Der Gedanke iſt mir gewiß eben ſo er-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/398>, abgerufen am 25.11.2024.