nieder und ruhe aus. -- Er hob langsam den Kopf in die Höhe, als wenn er den Himmel und seinen Sonnenschein suchen wollte.
Die Alte kramte nun jetzt ihre Beute aus. Brod mit Stücken rohen Fleisches, einige kleine Würste, Kuchen, alles lag vermischt in einem schmutzigen leinenen Sacke; sie biß oft von den einzelnen Stücken mit großer Gier etwas ab; dann gab sie dem Sohne einen Kuchen und be- fahl ihm, hier zu bleiben und ihre Rückkehr abzuwarten.
Der Junge betastete den Kuchen mit allen Zeichen der Freude und des Wohlbehagens: er drehte den Kopf oft nach der Sonne, als wenn er sich gewaltig anstrengte, um endlich einmal zu sehn. Ein anderer Bettelbube schlich sich indessen näher, hob plötzlich den Kuchen von der Erde auf und lief schnell davon. Der Blinde suchte nun seine Nahrung, auf die er sich gefreut hatte, und fand sie nicht; schwermü- thig senkte er den Kopf nieder, und wie an alle Leiden gewöhnt und auf alle mögliche Unglücksfälle vorbereitet, legte er sich hin und schlief ein. Sein Schlaf war wie ein Ausruhn in einer bessern Welt. -- Ich schlich mich davon, um
nieder und ruhe aus. — Er hob langſam den Kopf in die Hoͤhe, als wenn er den Himmel und ſeinen Sonnenſchein ſuchen wollte.
Die Alte kramte nun jetzt ihre Beute aus. Brod mit Stuͤcken rohen Fleiſches, einige kleine Wuͤrſte, Kuchen, alles lag vermiſcht in einem ſchmutzigen leinenen Sacke; ſie biß oft von den einzelnen Stuͤcken mit großer Gier etwas ab; dann gab ſie dem Sohne einen Kuchen und be- fahl ihm, hier zu bleiben und ihre Ruͤckkehr abzuwarten.
Der Junge betaſtete den Kuchen mit allen Zeichen der Freude und des Wohlbehagens: er drehte den Kopf oft nach der Sonne, als wenn er ſich gewaltig anſtrengte, um endlich einmal zu ſehn. Ein anderer Bettelbube ſchlich ſich indeſſen naͤher, hob ploͤtzlich den Kuchen von der Erde auf und lief ſchnell davon. Der Blinde ſuchte nun ſeine Nahrung, auf die er ſich gefreut hatte, und fand ſie nicht; ſchwermuͤ- thig ſenkte er den Kopf nieder, und wie an alle Leiden gewoͤhnt und auf alle moͤgliche Ungluͤcksfaͤlle vorbereitet, legte er ſich hin und ſchlief ein. Sein Schlaf war wie ein Ausruhn in einer beſſern Welt. — Ich ſchlich mich davon, um
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0267"n="260"/>
nieder und ruhe aus. — Er hob langſam den<lb/>
Kopf in die Hoͤhe, als wenn er den Himmel<lb/>
und ſeinen Sonnenſchein ſuchen wollte.</p><lb/><p>Die Alte kramte nun jetzt ihre Beute aus.<lb/>
Brod mit Stuͤcken rohen Fleiſches, einige kleine<lb/>
Wuͤrſte, Kuchen, alles lag vermiſcht in einem<lb/>ſchmutzigen leinenen Sacke; ſie biß oft von den<lb/>
einzelnen Stuͤcken mit großer Gier etwas ab;<lb/>
dann gab ſie dem Sohne einen Kuchen und be-<lb/>
fahl ihm, hier zu bleiben und ihre Ruͤckkehr<lb/>
abzuwarten.</p><lb/><p>Der Junge betaſtete den Kuchen mit allen<lb/>
Zeichen der Freude und des Wohlbehagens: er<lb/>
drehte den Kopf oft nach der Sonne, als wenn<lb/>
er ſich gewaltig anſtrengte, um endlich einmal<lb/>
zu ſehn. Ein anderer Bettelbube ſchlich ſich<lb/>
indeſſen naͤher, hob ploͤtzlich den Kuchen von<lb/>
der Erde auf und lief ſchnell davon. Der<lb/>
Blinde ſuchte nun ſeine Nahrung, auf die er<lb/>ſich gefreut hatte, und fand ſie nicht; ſchwermuͤ-<lb/>
thig ſenkte er den Kopf nieder, und wie an alle<lb/>
Leiden gewoͤhnt und auf alle moͤgliche Ungluͤcksfaͤlle<lb/>
vorbereitet, legte er ſich hin und ſchlief ein.<lb/>
Sein Schlaf war wie ein Ausruhn in einer<lb/>
beſſern Welt. — Ich ſchlich mich davon, um<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[260/0267]
nieder und ruhe aus. — Er hob langſam den
Kopf in die Hoͤhe, als wenn er den Himmel
und ſeinen Sonnenſchein ſuchen wollte.
Die Alte kramte nun jetzt ihre Beute aus.
Brod mit Stuͤcken rohen Fleiſches, einige kleine
Wuͤrſte, Kuchen, alles lag vermiſcht in einem
ſchmutzigen leinenen Sacke; ſie biß oft von den
einzelnen Stuͤcken mit großer Gier etwas ab;
dann gab ſie dem Sohne einen Kuchen und be-
fahl ihm, hier zu bleiben und ihre Ruͤckkehr
abzuwarten.
Der Junge betaſtete den Kuchen mit allen
Zeichen der Freude und des Wohlbehagens: er
drehte den Kopf oft nach der Sonne, als wenn
er ſich gewaltig anſtrengte, um endlich einmal
zu ſehn. Ein anderer Bettelbube ſchlich ſich
indeſſen naͤher, hob ploͤtzlich den Kuchen von
der Erde auf und lief ſchnell davon. Der
Blinde ſuchte nun ſeine Nahrung, auf die er
ſich gefreut hatte, und fand ſie nicht; ſchwermuͤ-
thig ſenkte er den Kopf nieder, und wie an alle
Leiden gewoͤhnt und auf alle moͤgliche Ungluͤcksfaͤlle
vorbereitet, legte er ſich hin und ſchlief ein.
Sein Schlaf war wie ein Ausruhn in einer
beſſern Welt. — Ich ſchlich mich davon, um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/267>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.