So bin ich denn endlich wieder hier, hier wo der Frühling meines Lebens zu blühen anfing, und wo ich immer noch einzelne Ruinen davon wiederfinde? -- Wie ist hier alles noch so, wie ich es damals verließ, jede Hecke, und je- der Teich erinner mich an meine damaligen Empfindungen.
Hier war's, wo Melodien aus jedem Baum- wipfel sumseten; hier hing der Morgen-Him- mel voll goldener Hoffnungen; jeder Ton in der Natur klang mir Gesang, und ich ging un- ter einem ewigen lautrauschenden Koncerte. -- Und was ist nun aus allem dem geworden? -- Und was war es auch das ich hoffte? -- Ju- gendlich und unbesonnen kannt' ich mich selbst nicht, und wußte nicht was ich von mir und der Welt verlangte.
Ich saß wieder in demselben Zimmer des Wirthshauses, in dem ich damals einen so em- pfindsamen Brief an Eduard Burton schrieb,
B 2
5. William Lovell an Roſa.
Bonſtreet.
So bin ich denn endlich wieder hier, hier wo der Fruͤhling meines Lebens zu bluͤhen anfing, und wo ich immer noch einzelne Ruinen davon wiederfinde? — Wie iſt hier alles noch ſo, wie ich es damals verließ, jede Hecke, und je- der Teich erinner mich an meine damaligen Empfindungen.
Hier war's, wo Melodien aus jedem Baum- wipfel ſumſeten; hier hing der Morgen-Him- mel voll goldener Hoffnungen; jeder Ton in der Natur klang mir Geſang, und ich ging un- ter einem ewigen lautrauſchenden Koncerte. — Und was iſt nun aus allem dem geworden? — Und was war es auch das ich hoffte? — Ju- gendlich und unbeſonnen kannt' ich mich ſelbſt nicht, und wußte nicht was ich von mir und der Welt verlangte.
Ich ſaß wieder in demſelben Zimmer des Wirthshauſes, in dem ich damals einen ſo em- pfindſamen Brief an Eduard Burton ſchrieb,
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5.
William Lovell an Roſa.
Bonſtreet.
So bin ich denn endlich wieder hier, hier wo
der Fruͤhling meines Lebens zu bluͤhen anfing,
und wo ich immer noch einzelne Ruinen davon
wiederfinde? — Wie iſt hier alles noch ſo,
wie ich es damals verließ, jede Hecke, und je-
der Teich erinner mich an meine damaligen
Empfindungen.
Hier war's, wo Melodien aus jedem Baum-
wipfel ſumſeten; hier hing der Morgen-Him-
mel voll goldener Hoffnungen; jeder Ton in
der Natur klang mir Geſang, und ich ging un-
ter einem ewigen lautrauſchenden Koncerte. —
Und was iſt nun aus allem dem geworden? —
Und was war es auch das ich hoffte? — Ju-
gendlich und unbeſonnen kannt' ich mich ſelbſt
nicht, und wußte nicht was ich von mir und
der Welt verlangte.
Ich ſaß wieder in demſelben Zimmer des
Wirthshauſes, in dem ich damals einen ſo em-
pfindſamen Brief an Eduard Burton ſchrieb,
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/26>, abgerufen am 24.04.2024.
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