Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

den und die die Augen der Menschen verblen-
deten. -- Wahrlich, wir sind am Ende alle
Brüder einer Mutter.

Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange
für mich glaubte, Lovell habe mein Haus an-
gezündet, weil er mir meinen Frieden beneide?
Ich hatte eben keine Gründe zu diesem Arg-
wohne, als mein mißtrauisches Herz. -- Aber
ich habe es ihm auch mit diesem Herzen wieder
abgebeten.

Von welchen Zufälligkeiten hing es nun
vielleicht ab, daß ich nicht wirklich schlecht
wurde? -- Und wer steht mir denn dafür daß
ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?

Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn
ist nicht auch das, daß ich so über mich spreche,
wieder Eitelkeit? -- Es giebt gewisse Gedanken,
die man zu den Curiositäten der Seele rech-
nen sollte. -- Ich möchte diese Idee gerne
weiter ausspinnen, denn ich habe eine Ahn-
dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie-
gen, aber mein Kopf versagt mir seine Dienste:
in dieser chaotischen Dunstkugel kömmt nur
selten die Gestalt zum Vorscheine, die man
zitirt. --

den und die die Augen der Menſchen verblen-
deten. — Wahrlich, wir ſind am Ende alle
Bruͤder einer Mutter.

Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange
fuͤr mich glaubte, Lovell habe mein Haus an-
gezuͤndet, weil er mir meinen Frieden beneide?
Ich hatte eben keine Gruͤnde zu dieſem Arg-
wohne, als mein mißtrauiſches Herz. — Aber
ich habe es ihm auch mit dieſem Herzen wieder
abgebeten.

Von welchen Zufaͤlligkeiten hing es nun
vielleicht ab, daß ich nicht wirklich ſchlecht
wurde? — Und wer ſteht mir denn dafuͤr daß
ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?

Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn
iſt nicht auch das, daß ich ſo uͤber mich ſpreche,
wieder Eitelkeit? — Es giebt gewiſſe Gedanken,
die man zu den Curioſitaͤten der Seele rech-
nen ſollte. — Ich moͤchte dieſe Idee gerne
weiter ausſpinnen, denn ich habe eine Ahn-
dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie-
gen, aber mein Kopf verſagt mir ſeine Dienſte:
in dieſer chaotiſchen Dunſtkugel koͤmmt nur
ſelten die Geſtalt zum Vorſcheine, die man
zitirt. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0211" n="204"/>
den und die die Augen der Men&#x017F;chen verblen-<lb/>
deten. &#x2014; Wahrlich, wir &#x017F;ind am Ende alle<lb/>
Bru&#x0364;der einer Mutter.</p><lb/>
          <p>Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange<lb/>
fu&#x0364;r mich glaubte, Lovell habe mein Haus an-<lb/>
gezu&#x0364;ndet, weil er mir meinen Frieden beneide?<lb/>
Ich hatte eben keine Gru&#x0364;nde zu die&#x017F;em Arg-<lb/>
wohne, als mein mißtraui&#x017F;ches Herz. &#x2014; Aber<lb/>
ich habe es ihm auch mit die&#x017F;em Herzen wieder<lb/>
abgebeten.</p><lb/>
          <p>Von welchen Zufa&#x0364;lligkeiten hing es nun<lb/>
vielleicht ab, daß ich nicht wirklich &#x017F;chlecht<lb/>
wurde? &#x2014; Und wer &#x017F;teht mir denn dafu&#x0364;r daß<lb/>
ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?</p><lb/>
          <p>Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn<lb/>
i&#x017F;t nicht auch das, daß ich &#x017F;o u&#x0364;ber mich &#x017F;preche,<lb/>
wieder Eitelkeit? &#x2014; Es giebt gewi&#x017F;&#x017F;e Gedanken,<lb/>
die man zu den Curio&#x017F;ita&#x0364;ten der Seele rech-<lb/>
nen &#x017F;ollte. &#x2014; Ich mo&#x0364;chte die&#x017F;e Idee gerne<lb/>
weiter aus&#x017F;pinnen, denn ich habe eine Ahn-<lb/>
dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie-<lb/>
gen, aber mein Kopf ver&#x017F;agt mir &#x017F;eine Dien&#x017F;te:<lb/>
in die&#x017F;er chaoti&#x017F;chen Dun&#x017F;tkugel ko&#x0364;mmt nur<lb/>
&#x017F;elten die Ge&#x017F;talt zum Vor&#x017F;cheine, die man<lb/>
zitirt. &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0211] den und die die Augen der Menſchen verblen- deten. — Wahrlich, wir ſind am Ende alle Bruͤder einer Mutter. Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange fuͤr mich glaubte, Lovell habe mein Haus an- gezuͤndet, weil er mir meinen Frieden beneide? Ich hatte eben keine Gruͤnde zu dieſem Arg- wohne, als mein mißtrauiſches Herz. — Aber ich habe es ihm auch mit dieſem Herzen wieder abgebeten. Von welchen Zufaͤlligkeiten hing es nun vielleicht ab, daß ich nicht wirklich ſchlecht wurde? — Und wer ſteht mir denn dafuͤr daß ich am Ende gut bin, wie ich es glaube? Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn iſt nicht auch das, daß ich ſo uͤber mich ſpreche, wieder Eitelkeit? — Es giebt gewiſſe Gedanken, die man zu den Curioſitaͤten der Seele rech- nen ſollte. — Ich moͤchte dieſe Idee gerne weiter ausſpinnen, denn ich habe eine Ahn- dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie- gen, aber mein Kopf verſagt mir ſeine Dienſte: in dieſer chaotiſchen Dunſtkugel koͤmmt nur ſelten die Geſtalt zum Vorſcheine, die man zitirt. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/211
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/211>, abgerufen am 05.05.2024.