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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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treffe ich die Uebertellgung an, daß jenes mensch-
liche Gepräge in jedem Bilde steht, das wir
antreffen; so verschiedenartig es auch scheint,
so ist es doch nur ein Stempel.

Wenn Du aber so sehr von Deiner Wahr-
heit überzeugt bist, so mache den Versuch, mich
zu widerlegen. Biete alle Deine Seelenkräfte
auf, um mich aus dem Felde zu schlagen, das
ich bis jetzt behauptet habe Welchen Gedan-
ken hast Du je ausgesprochen, den ich Dir
nicht geliehen habe? Wer anders als ich hat
Dich aus einer kümmerlichen Existenz heraus-
gehoben und Dich mit dem Leben bekannt ge-
macht? Was wärst Du ohne mich und was
würde aus Dir werden, wenn ich Dich jetzt
plötzlich wieder fallen ließe?

Mögt Ihr doch alle zu Eurer Sklaverey
wieder zurückkehren, da Ihr mit der Freyheit
nicht umzugehen wißt! Ihr liebt die Fesseln
und euren Block, an den ihr geschlossen seyd,
um nur nicht in die Gefahr zu gerathen, in
der Irre zu gehn. Ich brauche euch nicht; ich
habe nichts weiter von euch gelernt, als daß
ich meinen Irrthum einsehe, daß ich euch noch
für etwas besser hielt, als ihr wirklich seid. --


treffe ich die Uebertellgung an, daß jenes menſch-
liche Gepraͤge in jedem Bilde ſteht, das wir
antreffen; ſo verſchiedenartig es auch ſcheint,
ſo iſt es doch nur ein Stempel.

Wenn Du aber ſo ſehr von Deiner Wahr-
heit uͤberzeugt biſt, ſo mache den Verſuch, mich
zu widerlegen. Biete alle Deine Seelenkraͤfte
auf, um mich aus dem Felde zu ſchlagen, das
ich bis jetzt behauptet habe Welchen Gedan-
ken haſt Du je ausgeſprochen, den ich Dir
nicht geliehen habe? Wer anders als ich hat
Dich aus einer kuͤmmerlichen Exiſtenz heraus-
gehoben und Dich mit dem Leben bekannt ge-
macht? Was waͤrſt Du ohne mich und was
wuͤrde aus Dir werden, wenn ich Dich jetzt
ploͤtzlich wieder fallen ließe?

Moͤgt Ihr doch alle zu Eurer Sklaverey
wieder zuruͤckkehren, da Ihr mit der Freyheit
nicht umzugehen wißt! Ihr liebt die Feſſeln
und euren Block, an den ihr geſchloſſen ſeyd,
um nur nicht in die Gefahr zu gerathen, in
der Irre zu gehn. Ich brauche euch nicht; ich
habe nichts weiter von euch gelernt, als daß
ich meinen Irrthum einſehe, daß ich euch noch
fuͤr etwas beſſer hielt, als ihr wirklich ſeid. —


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[186/0193] treffe ich die Uebertellgung an, daß jenes menſch- liche Gepraͤge in jedem Bilde ſteht, das wir antreffen; ſo verſchiedenartig es auch ſcheint, ſo iſt es doch nur ein Stempel. Wenn Du aber ſo ſehr von Deiner Wahr- heit uͤberzeugt biſt, ſo mache den Verſuch, mich zu widerlegen. Biete alle Deine Seelenkraͤfte auf, um mich aus dem Felde zu ſchlagen, das ich bis jetzt behauptet habe Welchen Gedan- ken haſt Du je ausgeſprochen, den ich Dir nicht geliehen habe? Wer anders als ich hat Dich aus einer kuͤmmerlichen Exiſtenz heraus- gehoben und Dich mit dem Leben bekannt ge- macht? Was waͤrſt Du ohne mich und was wuͤrde aus Dir werden, wenn ich Dich jetzt ploͤtzlich wieder fallen ließe? Moͤgt Ihr doch alle zu Eurer Sklaverey wieder zuruͤckkehren, da Ihr mit der Freyheit nicht umzugehen wißt! Ihr liebt die Feſſeln und euren Block, an den ihr geſchloſſen ſeyd, um nur nicht in die Gefahr zu gerathen, in der Irre zu gehn. Ich brauche euch nicht; ich habe nichts weiter von euch gelernt, als daß ich meinen Irrthum einſehe, daß ich euch noch fuͤr etwas beſſer hielt, als ihr wirklich ſeid. —

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/193>, abgerufen am 06.05.2024.